Geliebte Fälscherin (German Edition)
Heimweh nach …
Ihre Hand legte sich fester um den Ledergriff ihrer Tasche. Heimweh wonach ? Nach einem Ort, den sie zu Hause nennen konnte? Nach Maman? Immer. Nach Papa und der Beziehung, die sie sich zu ihm immer gewünscht, aber nie gehabt hatte? Vielleicht.
Sie war nicht bereit, diesen Gedanken noch mehr Raum zu geben, und schlich auf Zehenspitzen wieder die Treppe hinauf. Oben blieb sie stehen und lauschte nach irgendeiner Spur von ihrem viel zu aufmerksamen Gastgeber.
„Ich finde es einfach nicht richtig, Samuel, dass man ihr so etwas nicht sagt.“
Claire erstarrte.
„Sie wird es erfahren, Mama. Wenn dieser nette Mann wiederkommt. Du erinnerst dich doch an Mr DePaul. Er hat dir Blumen und Schokolade mitgebracht. Er sagte in seinem Telegramm, dass er es ihr selbst nahebringen will. Dass wir nichts sagen sollen. Er kennt sie besser, deshalb müssen wir seine Wünsche respektieren.“
Claire rührte sich nicht vom Fleck, da sie fürchtete, eine knarrende Bodendiele würde sie verraten. Onkel Antoine wollte ihr etwas sagen. Aber was? Aus dem Zimmer hörte sie das Klappern von Geschirr und schlurfende Schritte. Sie rechnete damit, dass Mr Broderick jeden Moment auf den Gang herauskäme und sie hier stehen sähe. Was würde sie dann …
„Und sei nett zu ihr, Mama. Wir sollen sie im Auge behalten, bis er wiederkommt. Das hat er mir eingeschärft. Sie wird mir helfen, mich um dich zu kümmern. Das ist doch bestimmt nett. Dann musst du nicht mehr das essen, was ich koche. Und du hast eine Frau, mit der du dich unterhalten kannst.“
Claire runzelte die Stirn. Sie sollte ihm helfen, sich um seine Mutter zu kümmern? Und sie sollte kochen?
Sie hörte ein leichtes Seufzen, dann das Knarren eines Schaukelstuhls. „Meinetwegen, Samuel. Aber ich finde immer noch, dass eine Tochter das Recht hat zu erfahren, dass ihr Vater gestorben ist.“
Claire blinzelte. Ihre Welt stand schlagartig still. Sie hörte die Worte ganz deutlich, hatte aber Mühe, sie zu verarbeiten. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück.
Aber ihr Stiefelabsatz berührte nichts als Luft. Sie ließ die Reisetasche fallen und suchte Halt am Treppengeländer, griff aber daneben. Sie rutschte eine Stufe hinab und dann noch eine, bevor sie endlich Halt fand. Die Reisetasche polterte die Treppe hinab und schlug mit einem dumpfen Schlag unten auf. Schwere Schritte ertönten, und Broderick erschien oben an der Treppe.
„Miss Laurent! Ist alles in Ordnung?“ Er griff nach ihr und hob sie praktisch die Treppe hinauf.
„Mein Vater“, flüsterte Claire. „Eine Tochter hat das Recht zu erfahren, dass ihr Vater gestorben ist.“ Diese Worte wiederholten sich in ihrem Kopf immer wieder, und die wenige Luft, die sie hatte, schien sich zu verflüchtigen.
„Kommen Sie …“ Sein Arm legte sich schwer um ihre Taille. „Ich helfe Ihnen in Ihr Zimmer.“
Claire versuchte, ihn wegzustoßen, aber er war stark und hartnäckig.
„Es tut mir leid, dass Sie das gehört haben.“ Er führte sie in ihr Zimmer und zum Bett, wo er sich dicht neben sie setzte. „Ich habe heute Morgen das Telegramm bekommen. Es tut mir leid, dass Sie es auf diese Weise erfahren mussten.“ Er streichelte ihren Rücken und seine Hand bewegte sich ungeniert weiter nach unten.
Claire rutschte von ihm weg. „Nein!“ Sie hob eine Hand. „Bitte lassen Sie mich allein.“
„Sie sind aufgeregt. Das ist natürlich verständlich.“ Er rutschte näher und legte wieder einen Arm um ihre Schultern. „Ich weiß, wie es ist, den Vater zu verlieren.“
Claire versuchte aufzustehen, aber sein Arm legte sich fest um sie. Erst jetzt merkte sie, dass er die Tür geschlossen hatte.
„Ich will Ihnen helfen, Miss Laurent.“ Er ergriff ihre Hand. „Ich glaube, dass wir …“
„Lassen Sie mich los!“
Aber er ließ sie nicht los. Und die Wärme, die sie vorher in seinen Augen gesehen hatte, verwandelte sich in Hitze. Trotz ihrer Unerfahrenheit im Umgang mit Männern wusste Claire, dass das in einer Katastrophe enden würde. Ihr wurde übel und sie gab für einen Moment bewusst ihren Widerstand auf. Als sie fühlte, dass er sich neben ihr entspannte, sprang sie schnell auf und lief los.
Sie riss die Tür auf und war auf der Treppe, bevor sie seine Schritte hinter sich hörte. Sie unterdrückte den Drang, sich umzudrehen, legte die Hand auf das Treppengeländer und eilte, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinab. Unten an der Treppe packte sie ihre Reisetasche. Aber sie
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