Geliebte Fälscherin (German Edition)
müde wie noch nie und wusste nicht, ob Gott sie im Moment hörte oder nicht. Sie glaubte, dass er jeden ihrer Gedanken hören konnte. Und obwohl diese Vorstellung manchmal eher störend als tröstlich war, klammerte sie sich im Moment daran. Und sie betete, dass er das Schreien ihres Herzens hören würde.
Denn sie brauchte seine Hilfe. So sehr wie noch nie zuvor.
* * *
Claire erwachte und blinzelte, da ihr die Sonne direkt ins Gesicht schien. Sie hielt sich die Hand schützend über die Augen und erhob sich vorsichtig. Ein scharfer Schmerz regte sich in ihrem Bauch, als sie sich nach und nach daran erinnerte, wo sie war und wie sie hierhergekommen war.
Papa …
Sie legte sich wieder hin und starrte die geschnitzten Holzbalken über sich an. Ihr Herz trauerte wegen der falschen Entscheidungen, die er getroffen hatte, und wegen der Beziehung, die sie nie zueinander gehabt hatten. Aber zwei Tatsachen konnte sie nicht leugnen. Sosehr es sie auch schmerzte, dass sie ihn verloren hatte, war dieser Schmerz nicht annähernd mit der Leere zu vergleichen, die sie nach dem Tod ihrer Mutter erfüllt hatte. Und das verstärkte aus irgendeinem Grund nur noch ihre jetzige Trauer.
Doch es gab noch einen anderen Gedanken, den sie nicht leugnen konnte, auch wenn es ihr schon falsch vorkam, auch nur daran zu denken. Sein Tod, sosehr sie auch wünschte, er wäre noch am Leben, verstärkte in ihr die Erkenntnis, dass ihre Entscheidung richtig war, ein neues Leben anzufangen. Die Gelegenheit dazu war nicht so gekommen, wie sie es sich erhofft hatte, aber sie wollte sie trotzdem ergreifen.
Onkel Antoine hatte diesem unsympathischen Samuel Broderick gesagt, dass er ihr nichts von Papas Tod sagen sollte. Er wollte es ihr zweifellos selbst sagen, wenn er in Nashville eintraf, damit er sie zwingen oder überreden könnte, das „Familiengeschäft“ weiterzuführen. Wie hatte sie je glauben können, dass Antoine DePaul sich wirklich etwas aus ihr mache? Und wie hatte sie ihn so gernhaben können? Sie war so naiv gewesen, so gutgläubig!
„Sei vorsichtig, wen du liebst …“
Während ihr die Worte ihrer Mutter durch den Kopf gingen, drehte sie sich auf der schmalen Bank um, um ihren schmerzenden Rücken zu entlasten. Sie wollte sich strecken, stieß sich dabei aber den Ellbogen an der Rückwand der Sitzbank an. Schmerzen schossen ihr durch den Arm, glühend heiß und stechend, und sie stöhnte …
Doch dann hörte sie plötzlich ein überlautes Knarren einer Tür und verstummte.
„Bist du sicher, dass wir hier sein dürfen?“, flüsterte eine weibliche Stimme. „Es ist noch sehr früh.“
„Das geht in Ordnung“, antwortete eine zweite Frau. „Die Türen sind ab sieben Uhr für alle offen, die beten wollen. Aber es ist sonst niemand da. Also komm!“
Aus den schnellen Schritten schloss Claire, dass die Frauen es eilig hatten. Sie kamen durch den Mittelgang direkt auf sie zu.
In der Hoffnung, dass ihre Schritte jedes Geräusch, das Claire verursachte, überdecken würden, packte sie ihre Reisetasche und ihren Mantel, rollte sich von der Sitzbank und rutschte darunter. Sie drückte ihren Rock und ihre Sachen eng an sich und betete, dass man sie nicht sehen würde. Wenige Sekunden später eilten zwei junge Frauen an ihr vorbei und gingen nach vorne zum Altar.
„Ich wusste nicht, dass du hierher zur Kirche gehst.“
„Ich gehe auch normalerweise nicht hierher.“ Ungeduld lag in der Stimme der zweiten Frau. „Aber sie geht hierher. Und ich will diese Stelle! Außerdem weiß doch jeder, dass es besser ist, wenn man in einer Kirche betet.“
„Warum ist das besser?“
Claire spitzte die Ohren und wartete gespannt auf die Antwort. Sie stützte sich auf einen Ellbogen, achtete aber darauf, sich nicht den Kopf unten an der Sitzbank zu stoßen.
„So eine dumme Frage!“ Ein leises Schnauben. „Weil du Gott damit zeigst, dass dir etwas so wichtig ist, dass du aufstehst und etwas unternimmst. Und es bringt dir einen Vorteil vor den anderen Leuten ein, die das nicht machen. Außerdem erhöht es die Wahrscheinlichkeit, dass Gott dir gibt, worum du ihn bittest.“
Claire war von der Erklärung dieser Frau nicht ganz überzeugt. In ihrem eigenen Leben hatte es viele Situationen gegeben, in denen sie alles in ihrer Macht Stehende getan hatte, um Gott zu gefallen. Sie hatte sich bemüht, das zu tun, was er ihrer Meinung nach von ihr wollte, statt das zu tun, was sie selbst gewollt hätte.
Aber am Ende hatte er trotzdem Nein
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