Geliebte Fälscherin (German Edition)
Landschaftsbilder zierten die Wand über dem Schreibtisch. Sie waren mit einem solchen Realismus gemalt, dass sie das Gefühl hatte, fast direkt hineintreten zu können. Die Gemälde waren in ihren Farben atemberaubend. Sie zeigten saftige italienische Landschaften mit Weinbergen, die reif zur Ernte waren. Claire wagte sich noch einen Schritt näher, um einen besseren Blick erhaschen zu können, und entdeckte eine Statue in der Ecke.
Sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Obwohl die Figur nicht so groß war wie Ruth , erkannte sie sie ebenfalls sofort. Rebekka am Brunnen. Die Statue war von C. B. Ives. Ein aufgeregtes Schauern durchfuhr sie. Belmont war mehr als ein vornehmes Herrenhaus. Es war eine Kunstgalerie.
Sie war vor Aufregung ganz kribbelig und fragte sich, welche anderen Schätze es wohl noch in diesem …
Schritte ertönten auf dem Flur.
Claires Herz schlug bis zum Hals, als sie zu der Stelle zurückeilte, an der sie gestanden hatte. Sie war leicht außer Atem und war sich sicher, dass man das Hämmern ihres Pulses laut hörte.
Ein junges Mädchen trat durch eine Tür ein, die der Tür gegenüberlag, durch die Mrs Routh verschwunden war. Ihre Haut war kaffeebraun und ihre geschmeidige Figur nahm bereits ansatzweise die Formen einer erwachsenen Frau an. Als sie Claire erblickte, blieb sie stehen. „Guten Tag, Madam.“ Ihre Stimme war federleicht mit einem unüberhörbaren Südstaatenakzent. „Kann ich Ihnen helfen?“
Claire lächelte höflich. „Ich habe ein Vorstellungsgespräch bei Mrs Acklen. Mrs Routh hat mich aufgefordert, hier zu warten, bis sie zurückkommt. Ich heiße Claire Laurent.“
Das Mädchen beugte den Kopf. „Und ich heiße Eva. Eva Snowden.“ Evas Blick wanderte an Claire hinauf und ihre Stimme klang jetzt nicht mehr so formell. „Sie haben wunderschöne Haare, Madam“, flüsterte sie und warf einen Blick hinter sich, bevor sie weitersprach. „Was machen Sie, damit sie so aussehen?“
Claire berührte ihre Haare und fragte sich, was mit ihrer Frisur los war und ob sie noch genug Zeit hätte, sie wieder in Ordnung zu bringen, bevor Mrs Routh zurückkam. Sie schaute sich in dem vergoldeten Spiegel über dem Kamin an und runzelte die Stirn. „Ich weiß nicht genau, was du meinst.“ Ihre Haare sahen genauso aus wie immer. Eher sogar ein wenig schöner, dank Mrs Buntings Geschick beim Frisieren.
Eva spähte auf eine Seite. „Wie bringen Sie sie dazu, sich so zu locken? Und so zu bleiben?“
„Ach … das .“ Claire lächelte. „Sie locken sich von selbst. Aber wenn es regnet, sehen sie nicht mehr so schön aus.“
Eva nickte, als stelle sie sich vor, wie Claires Haare im Regen aussahen. „Dann wird alles wild? Wie ein ausgewrungener Putzlappen?“
Claire blinzelte und wusste nicht genau, was sie darauf antworten sollte. Sie hatte auch keine Zeit dazu.
Mrs Routh schritt durch die Tür. Sie blieb abrupt neben der Ruth - Statue stehen und schaute nach unten. „Eva?“
„Ja, Mrs Routh?“ Die Stimme des Mädchens klang respektvoll.
„Was ist das?“
Claire schaute auf den Teppich, auf den Mrs Routh deutete. Eva trat bereits näher.
Eva kniete nieder und hob einen einzigen Strohhalm auf. „Entschuldigen Sie, Mrs Routh. Das haben wir anscheinend übersehen, Madam.“
„Ja, es sieht ganz so aus.“ Mrs Rouths Mund wurde dünner, so wie ihre Geduld offensichtlich auch. „Man sollte meinen, dass du reichlich Zeit hattest, um das inzwischen in Ordnung zu bringen. Immerhin wurde die Statue schon gestern Abend geliefert.“
Claire sah Evas traurige Miene und hatte Mitgefühl mit dem Mädchen, bis Mrs Rouths Bemerkung bei ihr Wurzeln schlug. „Gestern Abend geliefert …“
Claires Blick wanderte von Mrs Routh zu der Statue, während sie im Geiste wieder zum Bahnhof zurückwanderte. Und zu der Kiste. Und zu dem Mann, der geholfen hatte, sie abzuladen. Sie kniff die Augen zusammen. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass Ruth beim Ährenlesen …
Nein , das konnte nicht sein. Und doch …
Monroe hatte zu den Arbeitern gesagt, dass er ihnen helfen würde, später die Kiste abzuladen. Und dass die Statue darin von einem amerikanischen Bildhauer geschaffen worden sei. Randolph Rogers war ein amerikanischer Bildhauer.
Ihre Hoffnung, diese Stelle zu bekommen, schwand endgültig dahin.
Sutton Monroe wusste, dass sie sich schuldig gemacht hatte, unrechtmäßig ein Kirchengebäude zu betreten, und dass sie die Nacht wie eine gewöhnliche Landstreicherin auf
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