Geliebte Fälscherin (German Edition)
höchst gebildete Frau von großem Reichtum, die ein unübertreffliches Auge für die feinsten Kunstwerke besitzt. Sie tun gut daran, sich das zu merken.“
Claire öffnete den Mund, um ihr zu antworten.
„ Und die Kunst in diesem Haus zu schätzen, solange Ihnen das Privileg vergönnt ist, sich darin aufzuhalten.“ Mrs Routh begutachtete sie kurz von Kopf bis Fuß. „Was, wenn sich meine Vermutung als richtig erweist, wahrscheinlich nur von sehr kurzer Dauer sein wird.“
Claire hätte so gern etwas zu ihrer Verteidigung gesagt, aber sie wusste, dass sie damit die Kluft zwischen sich und dieser Frau nur noch mehr vertiefen würde. Also hielt sie den Mund und beherrschte ihre Gesichtszüge, so gut sie konnte. Aber insgeheim beneidete sie diese Frau um die Fähigkeit, ohne das geringste Zögern so deutlich auszusprechen, was sie dachte. Wie oft hatte sie das ihrem Vater gegenüber tun wollen? Aber sie hatte es nie getan.
Mrs Routh trat einen Schritt näher. „Habe ich mich klar genug ausgedrückt, Miss Laurent?“
Claire widerstand dem Drang zurückzuweichen und erwiderte ihren Blick. „Ja, Mrs Routh. Sie drücken sich mit großer Klarheit und Direktheit aus.“
„Erlernte Fähigkeiten, die Ihnen auch gut zu Gesicht stünden, Miss Laurent.“
Dieser Rat hätte sie vielleicht beleidigt, wenn die Frau nicht recht gehabt hätte.
„Warten Sie bitte hier.“ Mrs Routh drehte sich um. „Ich lasse Mrs Acklen wissen, dass Sie hier sind.“
Mrs Routh schritt durch den Türrahmen links neben dem Marmorkamin, wobei der dicke, rotgoldene Blumenteppich ihre ohnehin leisen Schritte dämpfte. Selbst auf dem schwarzweiß bemalten Holzboden hatten Mrs Rouths Stiefel kaum ein Geräusch verursacht. Claire konnte sich viele Hausbedienstete auf Belmont vorstellen, die zu Tode erschraken, wenn sie sich umdrehten und unerwartet Mrs Routh gegenüberstanden, die durch ihre dunkle Brille, die auf halber Höhe auf ihrer Nase saß, streng auf sie hinabschaute.
Allein in der Eingangshalle, ließ Claire ihre Umgebung auf sich wirken, und ihr Gefühl, unzulänglich zu sein, verhundertfachte sich. An der Wand rechts neben ihr hing ein Porträt von einem auffallend gut aussehenden Mann, der ein dunkles Jackett und eine dunkle Hose trug und, wie sie vermutete, das Acklen-Karo. Der verstorbene Mr Acklen war offenbar schottischer Abstammung gewesen. Sie fragte sich, wie lange er schon tot war. Die Buntings hatten das nicht erwähnt.
Links daneben hing ein anderes Porträt. Es war fast lebensgroß und zeigte eine Frau, die ein kleines Mädchen an der Hand hielt. Mrs Adelicia Franklin Acklen, die Herrin von Belmont , vermutete Claire. Die Frau war elegant, schön, hatte zarte Wangenknochen, weit auseinanderstehende Augen und eine porzellanzarte Haut.
Aber in ihrer Art, in dem leichten Heben ihres Kinns und dem konzentrierten Blick – Eigenschaften, die der Künstler mit meisterhaftem Geschick eingefangen hatte – lag etwas, das ihre körperliche Schönheit noch vertiefte, das den Betrachter fast vor ein Rätsel stellte. Unwillkürlich fragte man sich, was oder wer Mrs Acklens Gedanken beschäftigt hatte, während der Pinsel des Künstlers ihr Gesicht einfing.
Claire betrachtete die Frau in dem Porträt genauer und schaute ihr fragend in die Augen. Etwas lag darin, ein Wissen vielleicht. Oder eine Frage. Sie war nicht sicher. Künstler waren zu den Motiven, die sie malten, oft viel freundlicher, als die Natur und die Zeit das waren. War Mrs Acklen wirklich so schön und so faszinierend und so selbstsicher, wie der Künstler sie dargestellt hatte?
Claire atmete die Luft aus, die sie unbewusst angehalten hatte, und schaute sich in der Eingangshalle um. Sie wusste, dass sie das bald herausfinden würde.
Jeder Zentimeter vor ihren Augen, vom Boden bis zur Decke, strahlte Reichtum und Wohlstand aus. Von den üppigen Vorhängen und kunstvoll gemusterten Tapeten bis hin zu den geblümten englischen Wilton-Teppichen, die von Wand zu Wand reichten, zu einem Marmorkamin, geschnitzten Formen, die einen eindrucksvollen Bronzekronleuchter umrahmten, der, so wie es aussah, mit Gas betrieben wurde.
Und diese Vielzahl von Ölgemälden …
Claire schaute auf den Gang hinaus, durch den Mrs Routh verschwunden war, stellte fest, dass der Gang leer war, und ging zwei vorsichtige Schritte auf ein Seitenzimmer zu, das gut bestückte Bücherregale enthielt. Die Bibliothek. Sie spähte hinein und fühlte, wie ihr Pulsschlag sich erhöhte.
Zwei
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