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Geliebte Feindin

Geliebte Feindin

Titel: Geliebte Feindin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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Augenblick später erkannte er, weshalb sie mitten in der Nacht solche Anstrengungen unternommen hatte, um in dieses Haus zu gelangen. Sara hatte den Arm um die gebeugten Schultern einer Frau gelegt und half ihr, die Treppe hinunterzugehen. Er konnte das Gesicht der Frau nicht sehen, aber an ihrem langsamen, zögernden Gang erkannte er, daß sie entweder sehr schwach war oder große Schmerzen hatte.
    »Bitte, weine nicht, Nora«, flüsterte Sara. »Alles wird gut, dafür werde ich schon sorgen.«
    Als sie die Halle erreichten, zog Sara ihren Mantel aus und legte ihn um die Schultern der anderen Frau. Dann beugte sie sich vor und küßte sie auf die Stirn.
    »Ich wußte, daß du kommen würdest, Sara. Daran habe ich keinen Augenblick gezweifelt. Ich habe in meinem Herzen gespürt, daß du eine Möglichkeit findest, mir zu helfen.«
    Nora schluchzte und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. Nathan bemerkte die blauen Flecken an ihren Handgelenken – er wußte, was solche Male verursachte; die Frau war offensichtlich gefesselt gewesen.
    Sara ordnete die Frisur der älteren Frau. »Ich lasse dich nie im Stich, liebe Tante Nora. Ich würde niemals zulassen, daß dir ein Leid geschieht«, sagte sie und fügte im heiteren Ton hinzu: »So, jetzt ist dein Haar wieder hübsch.«
    Nora ergriff Saras Hand. »Was wäre mit mir geschehen, wenn du nicht gekommen wärst, Kind?«
    »Darüber brauchst du dir jetzt keine Sorgen mehr zu machen«, erwiderte Sara sanft. Sie merkte, daß ihre Tante Gefahr lief, die Fassung zu verlieren, und sie selbst fühlte sich auch elend. Als sie die Blutergüsse in Noras Gesicht und an ihren Armen ansah, hätte sie am liebsten geweint.
    »Du bist nur nach England gekommen, weil ich dich darum gebeten habe«, erinnerte Sara ihre Tante. »Ich habe gehofft, daß das Wiedersehen mit deiner Schwester ein freudiges Ereignis wird, aber ich habe mich gründlich geirrt. Daß das alles passiert ist, ist nur meine Schuld, Nora. Ab jetzt lasse ich dich nie mehr allein, bis du in Sicherheit bist.«
    »Du bist ein so liebes Kind.«
    Saras Hand zitterte, als sie versuchte den Riegel an der Haustür zurückzuschieben.
    »Wie hast du mich überhaupt gefunden?« fragte Nora, die ein paar Schritte hinter ihr stand.
    »Das spielt doch jetzt keine Rolle«, sagte Sara, der es gelungen war, den Riegel beiseite zu schieben, und öffnete die Tür. »Wir haben jede Zeit der Welt, um über alles zu sprechen, wenn wir auf dem Schiff sind, aber jetzt sollten wir uns beeilen, von hier wegzukommen. Ich habe Passagen auf einem Schiff gebucht, das dich heimbringen wird.«
    »Oh, ich kann London nicht sofort verlassen.«
    Sara drehte sich um und musterte ihre Tante prüfend. »Was willst du damit sagen? Alles ist vorbereitet, Nora. Ich habe die Schiffstickets mit meinem letzten Geld bezahlt. Bitte, mach jetzt keine Schwierigkeiten. Wir müssen noch heute nacht abreisen, es ist zu gefährlich für dich, noch einen Augenblick länger in London zu bleiben.«
    »Henry hat mir meinen Ehering weggenommen«, erklärte Nora und schüttelte den Kopf so heftig, daß der silberne Haarknoten, den Sara festgesteckt hatte, auf eine Seite rutschte. »Ich werde England nicht ohne meinen Ring verlassen. Mein Johnny, Gott hab’ ihn selig, hat mir das Versprechen abgenommen, daß ich ihn niemals ablege. Ich kann nicht ohne diesen Ring nach Hause fahren, Sara, er ist zu wertvoll für mich.«
    »Ja, wir müssen ihn finden«, sagte Sara schnell, als sich die Augen ihrer Tante mit Tränen füllten. Sie fürchtete ernsthaft, daß Nora einen Nervenzusammenbruch erleiden würde. »Kannst du dir vorstellen, wo Onkel Henry ihn versteckt haben könnte?«
    »Das ist ja das Schreckliche!« sagte Nora mit schriller Stimme. Sie lehnte sich an das Geländer der Treppe und preßte die Hände auf ihre schmerzende Brust. »Henry hat den Ring gar nicht versteckt, er trägt ihn an seinem kleinen Finger wie eine Trophäe. Wenn wir wüßten, wo er sich heute nacht betrinkt, könnten wir den Ring vielleicht zurückholen.«
    Sara nickte, aber ihr Magen drehte sich fast um bei dem Gedanken an das, was sie tun mußte. »Nicholas ist ihm am Abend gefolgt, er hat mir gesagt, wo sich Henry aufhält … Nora, bist du in der Lage, ein paar Schritte bis zur nächsten Kreuzung zu gehen? Ich habe nicht gewagt, die Droschke direkt vor das Haus zu bestellen, weil ich befürchtete, daß Onkel Henry heute früher nach Hause kommen könnte.«
    »Natürlich kann ich gehen«,

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