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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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bequem und versank erneut in tiefes Schweigen.
    Ich selber war jetzt erst einmal eine Zeitlang völlig außer Gefecht gesetzt. Ich kam mir vor wie einer, den man mit Hilfe eines Holzhammers ins Reich der Träume befördert hat. Was mir als nächstes bewußt wurde, war, daß mein Sitznachbar zu mir redete. Ich wandte ihm den Kopf zu, und dann begann ich langsam zu kapieren, was er sagte. Er versuchte mich offenbar zu trösten und meinte, ich solle mir bitte ja nichts drausmachen, sowas habe er in anderen Ländern auch schon erlebt, und mehr von der Sorte. Ich starrte ihn nur wortlos an, war zutiefst dankbar für seinen Trost und fühlte mich zugleich nicht im geringsten getröstet.
    Plötzlich machte unser Bus eine scharfe Kurve, so daß ich automatisch hinausschaute. Wir waren, ebenso wie auch das Polizeiauto vor uns, auf einen großen Parkplatz eingebogen, hinter dem sich im Regen die Konturen irgendeines Denkmals abzeichneten, und blieben in dessen Nähe stehen. Was war das für ein Denkmal? Trotz meiner durchaus intensiven Vorbereitungen war es mir nämlich völlig unbekannt. Doch nun trat unser lieber Freund Salam endlich in Aktion, stand auf, ergriff das Mikrophon und erklärte - falls ich ihn richtig verstanden habe -, das sei das Denkmal für Sadat, und wer wolle, könne aussteigen und es fotografieren. Aus, fertig, amen.
    Es folgte hektisches Scheibenputzen im ganzen Bus, und zwei oder drei stiegen tatsächlich aus, hechteten zum Denkmal, drückten rasch ab und hechteten wieder zurück in den Bus. Ich wäre selber eigentlich auch ganz gern ausgestiegen, schon allein, um meine angestauten Aggressionen abzubauen, wartete aber noch ein bisserl, ob eventuell noch weitere Erklärungen folgen würden. Nun, solche folgten nicht, und als ich mich endlich entschloß, nun meinerseits hinauszuspringen, da waren die anderen schon wieder zurück. Und während ich die noch einsteigen ließ, hörte man plötzlich von hinten zwei Stimmen fast gleichzeitig; eine Männerstimme brummte etwas unwirsch: 'Was ist das für ein Denkmal, hat er gesagt?', und eine junge Frauenstimme zwitscherte: 'Wer ist jetzt genau Saddam?' Aber der Schwarm aller Frauen dachte offenbar gar nicht daran, sich in seiner beschaulichen Ruhe stören zu lassen. Da drehte ich mich um - aufgestanden war ich ja schon - und begann mit möglichst lauter Stimme zu erklären; mit möglichst lauter Stimme deshalb, weil der gute Machmut, unser Chauffeur, den Motor nicht abgestellt hatte und ich, um nicht erneut Anstoß zu erregen, mich gehütet hatte, das Mikrophon anzurühren.
    Ich erklärte also, Sadat - nicht zu verwechseln mit dem irakischen Gewaltherrscher Saddam und auch nicht mit unserem allseits geschätzten Freund Salam - sei jener charismatische Staatspräsident von Ägypten gewesen, der nicht nur sein Land aus dem Kielwasser der damaligen Sowjetunion herausbugsiert und an die USA angenähert habe, sondern ein Friedensabkommen mit Israel getroffen habe; dafür sei ihm gemeinsam mit dem israelischen Ministerpräsidenten Menachem Begin der Friedensnobelpreis verliehen worden. Islamische Fundamentalisten, Mitglieder der sogenannten Moslembruderschaft, ...
    In diesem Moment heulte der Motor auf, und der Bus fuhr mit einem Ruck an. Bei diesem Geräuschpegel jetzt war ich natürlich auf verlorenem Posten, denn keiner außer denen ganz vorn konnte mich hören. Sicher hatte wieder Freund Salam seine Hand im Spiel! Jetzt riß mir aber die Geduld, ich drehte mich um, klopfte dem Chauffeur auf die Schulter und schrie: 'La, la!', und das ist arabisch und heißt: nein, nein! Und was glaubt ihr, was geschah? Machmut stieg augenblicklich auf die Bremse und hielt wieder an. Na, der wußte wenigstens noch, was sich gehört! Ich klopfte ihm wieder, jetzt aber lobend, auf die Schulter, und er drehte sich um und wandte mir ein freundlich lachendes Gesicht zu. Ohne Freund Salam weiter zu beachten, fuhr ich nun mit meinen Erklärungen fort: islamische Fundamentalisten, Mitglieder der sogenannten Moslembruderschaft, hätten Sadat während einer Militärparade ermordet; das sei irgendwann Anfang der Achtzigerjahre gewesen. Man sehe also: dieselben Kräfte, die heute die Touristen bedrohten, seien offenkundig schon damals am Werk gewesen. Und über dieses Problem würden sie sicher noch mehr hören, entweder von Herrn Salam oder ansonsten eben von mir, aber im Moment sei es wohl besser, es vorläufig dabei bewenden zu lassen und weiterzufahren. Und zugleich klopfte ich Machmut

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