Geliebte Myriam, geliebte Lydia
tiefem Bückling die Tür aufhält. Und was war draußen los? Na, Dauerregen halt. Und was noch? Ja, da stand eine ganze Kolonne von Taxis geparkt, und unter dem Vordach waren offenbar die dazugehörigen Taxler versammelt und palaverten, was das Zeug hält. Doch kaum hatten sie mich erspäht, da stürzten sie sich alle im Rudel auf mich und riefen mir zu: 'Taxi! Taxi!'
Taxi, Taxi? Na klar, das war natürlich die einzige praktikable Methode, mit den beiden Spendenkoffern zur Schwester Sara zu gelangen! Ich warf einen fragenden Blick auf das rund um mich gestikulierende und schreiende Rudel und grinste sie verlegen an; sodann machte ich meine Umhängetasche auf, suchte eine Zeitlang in ihr herum und fand schließlich, was ich suchte: die Adresse der Schwester Sara in lateinischer und in arabischer Schrift. Genau genommen waren's übrigens zwei Schwestern, denn die Adresse lautete: Sr. Emmanuelle + Sr. Sara, Centre Médico-Social „Mahabba“ (Mahabba = Amour), Mokattam, Cairo. Diesen Zettel hielt ich also vor mich hin, und die Taxler steckten ihre Köpfe zusammen und studierten ihn zunächst mit größter Aufmerksamkeit, und dann machten sie, einer nach dem anderen, ein langes Gesicht, so daß ich schon befürchtete, mit der Adresse würde was nicht stimmen und ich würde auf den Riesenkoffern sitzenbleiben. Aber gleich darauf erkannte ich, daß meine Befürchtungen völlig grundlos waren; offenbar waren sie nur über die Adresse so verwundert. Jedenfalls fing auf einmal einer an zu schreien: 'Okay! Okay!', und dann schrien alle gleichzeitig: 'Okay! Okay!', und es war das reinste Tohuwabohu. Da deutete ich ihnen rasch, sie mögen sich einen Moment gedulden, ich müsse erst noch einmal ins Hotel hinein und würde dann gleich zurückkommen.
2. Teil
Denn einen fröhlichen Geber liebt Gott
(APOSTEL PAULUS)
Das tat ich denn auch unverzüglich. Ich ließ mir noch einmal die Eingangstür aufhalten, schleppte die zwei Spendenkoffer zur Rezeption und bat die Rezeptionisten, ein paar Minuten ein Auge auf sie zu haben, schnappte mir meinen eigenen Koffer und suchte erst einmal mein Zimmer, oder genauer unser Zimmer; denn zu meinem größten Mißvergnügen hatte ich auf dieser Reise nicht wie sonst ein Einzelzimmer, sondern mußte mit dem einzelnen mittelalterlichen Herrn - er hieß übrigens Götzinger - ein Doppelzimmer teilen. Daher hatte ich jetzt auch keinen eigenen Schlüssel, sondern mußte an der glücklich gefundenen Tür anklopfen. Mein Zimmergenosse war aber drin und machte mir umgehend auf; er wartete nämlich noch darauf, daß die Kofferträger seinen Koffer bringen würden. Na, ich verschwand, wie ihr euch leicht denken könnt, erst einmal im Badezimmer, und als ich daraus wieder auftauchte, war auch sein Koffer schon da. Was ich denn jetzt mit meiner freien Zeit anzufangen gedenke? Offensichtlich war ihm langweilig. Nun, ich machte ihm klar, daß ich ja gar keine freie Zeit hätte, sondern daß eine hehre Aufgabe meiner harre, und welche. Ach ja, das habe er ja ganz verschwitzt. Ob es mir was ausmache, wenn er mich begleite? Er werde sich dafür gern an den Kosten beteiligen. O nein, das mache mir überhaupt nichts aus, im Gegenteil, ich würde mich sehr freuen, und an den Kosten brauche er sich wirklich nicht zu beteiligen; die würden mir von der Diözese ohnehin ersetzt. Aber davon war er nicht abzubringen, und er freute sich sichtlich wie ein Schneekönig, daß er mitkommen durfte, und bat mich sogar ausdrücklich, ihn in Hinkunft 'Götzi' zu nennen; das klinge nämlich so ähnlich wie 'Ötzi', und da wüßten dann alle gleich, welcher Altersstufe er angehöre, und hätten den gebührenden Respekt vor ihm. Naja, witzig war er wenigstens.
Er ließ es sich dann auch nicht nehmen, einen der beiden schweren Koffer eigenhändig zu schleppen. So traten wir also vor die wiederum ehrerbietig aufgerissene Hoteltür. Und was jetzt folgte, spottete jeder Beschreibung. Es ging, kurz gesagt, um die Frage: mit welchem Taxi fahren wir? Offenbar glaubte jeder einzelne aus der Horde der Taxler, das 'ius primae noctis' über uns zu besitzen, wenn ich das so nennen darf, und es gab ein sagenhaftes Geschrei. Schließlich fragte ich in eine zufällige Schreipause hinein: 'How much?' Jetzt war's einige Sekunden lang unheimlich still, und die Schreihälse beäugten sich gegenseitig mißtrauisch. Dann gab sich einer von ihnen sichtlich einen Ruck und rief: 'A hundred and fifty!' Und nun ging's wieder los, das sagenhafte
Weitere Kostenlose Bücher