Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
versuchte es zumindest; denn wie er auf die Damen wirkte, wüßte ich nicht zu sagen, aber ich sah's ihm jedenfalls deutlich an, daß er im Innersten seines Herzens furchtbar enttäuscht war. Ich weiß nicht, was er sich für diese Nacht vorgestellt hatte - vielleicht eine kleine Orgie oder so -; auf jeden Fall muß ihm klar gewesen sein, daß jetzt, mit Myriam im Zimmer, die Orgie ins Wasser gefallen war. Lydia und Babsi schienen es hingegen als Ehre zu betrachten, mit Myriam das Zimmer teilen zu dürfen.
    Irgendwie verstand es sich jetzt auch von selbst, daß an diesem Abend nicht nur kein öffentliches Besäufnis stattfinden würde, sondern auch kein privates in unserem Zimmer; sondern wir halfen Myriam bei der Übersiedlung, das heißt, trugen ihr nicht allzu umfangreiches Gepäck von der Rezeption, wo es bis dahin abgestellt gewesen war, in unser Zimmer hinauf und deponierten bei der Gelegenheit unsere Weinflaschen; anschließend zwitscherte ich zusammen mit Götzi noch einmal zu einem abendlichen Stadtbummel ab, um unseren Girls inzwischen Gelegenheit zu geben, sich, ohne sich durch unsere Anwesenheit belästigt zu fühlen, auszuziehen und aufs Ohr zu legen - oder sich eventuell für uns hübsch zu machen; aber das war zweifellos nur ein schöner Wunschtraum. Immerhin aalte sich Götzi nun doch während dem gesamten Spaziergang gedanklich in ihm und malte sich in den interessantesten Varianten den Empfang aus, den uns Myriam, Lydia und Babsi bei unserer Heimkehr bereiten könnten, und in noch interessanteren Varianten malte er sich den weiteren Verlauf der Nacht aus.
    Na, und welche von diesen Varianten traf dann ein? Genau die, die ich selber vorausgesehen hatte, ohne sie indessen auszusprechen: daß wir uns, ein jeder in seinem Bett, unverzüglich schlafen legen und, je nachdem, von Orgien oder von besseren Zeiten träumen würden. Denn als wir zurückkamen und das Licht - pardon: die traurige Funzel aufdrehten, da schliefen unsere süßen Girls entweder schon oder taten zumindest so, als ob sie schon schlafen würden, und da blieb klarerweise nichts anderes übrig, als uns eben unverzüglich still und artig, ein jeder in seinem Bett, schlafen zu legen, einander gute Nacht zu wünschen und, wie gesagt, entweder von Orgien oder von besseren Zeiten zu träumen.
    Ob Götzi von Orgien geträumt hat, kann ich euch nicht sagen, denn er hat mir's nicht verraten, und gefragt hab' ich ihn nicht. Ich hab' jedenfalls von besseren Zeiten geträumt, und das ging so: ich war noch ein kleiner Bub, und es war Sommer, und ich spielte mit Maria, der Liebevollen, Zärtlichen, Geduldigen und Einfühlsamen, im Garten meiner Großeltern in Maria Taferl, und ich spielte mit ihr nicht etwa die Spiele, die ihr jetzt vermutet, sondern das, was man Sandspielen nennt. Und wir schufen uns gemeinsam in der Sandkiste unsere eigene kleine Welt und belebten sie mit unserer eigenen kleinen Menschheit und waren ihr König und ihre Königin und lehrten unsere Kleinfamilie, keine Angst zu haben und keine Vorurteile und keinem nur deshalb weh zu tun, weil er anders aussieht oder anders spricht oder einen anderen Glauben hat oder einen schwachen oder auch gar keinen Glauben hat; denn nicht jeder kann genauso aussehen oder sprechen oder glauben wie wir und nicht jeder kann gläubig sein; das liegt in der Natur des Menschen. Und als wir sahen, daß unsere kleine Welt in der Sandkiste vollendet war und daß unsere eigene Menschheit glücklich und ohne Vorurteile lebte, da lehnten wir uns zurück und ruhten uns aus und genossen die herrliche Aussicht, die man in Maria Taferl, hoch über dem Donautal, hat. Wir überblickten die weite Welt: unter uns das breite Donautal mit dem leuchtenden Silberband des Flusses, dann das Fruchtland mit den Feldern und Palmenhainen und dahinter die Wüste und das Gebirge mit dem Ötscher als höchster und eindrucksvollster Erhebung. Und da beschlossen wir, Reiseleiter und Reiseleiterin zu spielen und die großen Menschen zu lehren, ihre Ängste und Vorurteile zu vergessen und keinem nur deshalb weh zu tun, weil er anders aussieht oder anders spricht oder einen anderen Glauben hat oder einen schwachen oder auch gar keinen Glauben hat. Und wir verließen den Garten und stiegen, Hand in Hand, zum Ufer der Donau hinunter und fuhren in einem Segelboot hinüber; und dabei war der Himmel blutrot, und der Bootsmann sang sich selber ein schwermütiges orientalisches Liedchen vor, und wir kamen uns vor wie im Paradies. Und am

Weitere Kostenlose Bücher