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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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diese Revolution von Amarna ihren Schöpfer nicht. Seine Nachfolger kehrten nach Theben und zum traditionellen Vielgötterglauben zurück, und Echnaton wurde nun als Ketzerkönig geschmäht.
    Als Myriam mit ihrem Vortrag zu Ende war, erlaubte ich mir, ihm noch einige Anmerkungen meinerseits hinzuzufügen. Zunächst wies ich darauf hin, daß sich die theologische Revolution Echnatons sehr wesentlich von der sonstigen religiösen Vielfalt und der vollkommenen Toleranz des alten Ägypten abhebe und sich nicht nur in dem absoluten Eingottglauben, sondern auch in ihrer religiösen Intoleranz mit dem Christentum vergleichen lasse - und natürlich ebenso mit Judentum und Islam. Nun gelte ja üblicherweise das Judentum quasi als Erfinder des Monotheismus; aber es könnte durchaus sein, daß der jüdische Glaube an Jahwe von der Revolution von Amarna beeinflußt oder sogar angeregt worden war, denn der Aufenthalt der Israeliten in Ägypten dürfte genau mit der Herrschaft des Echnaton zusammenfallen. Sodann verbreitete ich mich - auch auf die Gefahr hin, von manchen entweder als verdammenswerter Ketzer oder aber als langweiliger Schwätzer abgetan zu werden, - über den Begriff 'Monotheismus'. Für uns bezeichne er naturgemäß die Überzeugung, daß es nur den einen Gott gebe. Echnaton hingegen habe zwar nur den einen Aton verehrt, die Existenz der vielen anderen Götter aber nie geleugnet. Ebenso hätten die Isaeliten zwar nur Jahwe verehrt, die Existenz der heidnischen Götter aber nicht geleugnet. Und dasselbe gelte noch für die frühen Christen; sie wären, auch wenn wir uns das heute gar nicht mehr vorstellen könnten, nie auf die Idee gekommen, die faktische Existenz von Zeus, Apollon, Osiris und so weiter zu bezweifeln. Allerdings bezeichneten sie sie nicht mehr als Götter, sondern als Dämonen.
    Keine empörten Zwischenrufe von hinten? Nein, keine empörten Zwischenrufe von hinten! Und von Myriam? Oh, von Myriam ein süßes, ein wahnsinnig süßes Lächeln, das mich für einige Augenblicke total außer Gefecht setzte, und als ich wieder halbwegs denken konnte, schoß mir ein Wort durch den Kopf, ein Wort, das ich aus dem Mund meines Taxlers in Kairo oft genug gehört hatte: Habíbi, mein Liebling! Und dann sagte ich es zu ihr, das heißt, ich flötete es, oder noch genauer: ich flüsterte es ihr zu. Und sie hörte nicht auf, mich anzustrahlen, legte aber ihren Finger auf meine Lippen und ließ ihn lang genug auf ihnen liegen, so daß ich auf ihn einen unhörbaren und fast unsichtbaren, aber zärtlichen und innigen Kuß drücken konnte. Und sie hörte noch immer nicht auf, mich süß anzulächeln und anzustrahlen, und nachdem sie mich lang genug angelächelt und angestrahlt hatte, flüsterte sie: 'Danke noch einmal, Christian, daß du mir gestern abend so spontan angeboten hast, in eurem Zimmer zu schlafen! Du hast mir damit sehr geholfen! Ich hätte sonst nicht gewußt, wo ich mein müdes Haupt hinlegen soll.'
    'Aber das war doch selbstverständlich!' protestierte ich, freute mich aber zugleich sehr über ihre Worte. Natürlich beteuerte sie, daß das keineswegs selbstverständlich gewesen sei, und lobte mich, daß ich sie die ganze Nacht in Ruhe gelassen hätte und - sinngemäß - kein einziges Mal versucht hätte, ihr die Jungfräulichkeit zu rauben; und dasselbe gelte für meinen Zimmerkollegen. Als ich dann versicherte, sie könne auch in Zukunft unbesorgt zu uns kommen, erklärte sie, gleich gestern abend in unserem heutigen Hotel in Luxor angerufen und ein zusätzliches Zimmer für sich selber reserviert zu haben. Gleichzeitig versprach sie mir, daß unser Hotel in Luxor unvergleichlich besser sei als das in El-Minja. 'Na klar: nomen est omen!' scherzte ich und sagte, als ich sah, daß sie den Scherz nicht verstand, zur Erklärung: 'Na, ein Hotel in Luxor kann ja nur ein Luxushotel sein!'
    Während sie mir nun doch verstehend zuschmunzelte, rief ihr plötzlich Machmut was zu, und sie rief ihm was zu und erklärte mir anschließend, er habe sich nur vergewissert, daß er in Kürze abbiegen müsse. Und wirklich verließen wir bald darauf die Hauptstrecke, durchfuhren ein Dorf und erreichten wenige Minuten später den Nil. Dieselbe Situation also wie gestern abend: wir stiegen aus und blickten über den Fluß hinweg auf wüstenhafte Berghänge, nur mit dem Unterschied, daß diese viel weiter entfernt waren und oben in einer relativ gleichmäßigen Hochfläche endeten. Ein weiterer Unterschied: hier warteten

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