Geliebte Myriam, geliebte Lydia
keinen Wein und auch keinerlei anderen alkoholischen Getränke; und wie hatte der Herr Schroll so schön gesagt? Lieber b'soffen und g'sund als nüchtern und krank! Und jetzt hatte nicht einmal er seinen Obstler mit, und wir saßen alle quasi auf dem Trockenen. Aber Götzi hatte eine Idee, und während er sie verkündete, blitzten seine Äuglein vor Begeisterung: ihm sei auf dem Weg hierher aufgefallen, daß zumindest die Lebensmittelläden noch offen hätten, und in denen oder in einigen von ihnen habe er Regale voll mit Flaschen gesehen, und die hätten wie Weinflaschen ausgesehen. Dazu müßt ihr wissen, daß die meisten Geschäfte in Ägypten winzige Löcher sind und sich noch dazu in voller Breite auf die Straße öffnen, so daß man ihr Angebot meistens mit einem Blick überschauen kann. In einem von diesen, fuhr Götzi fort, könnten wir uns doch nachher noch mit Wein eindecken und uns anschließend im Hotel zusammensetzen und das Versäumte nachholen, nicht wahr? Zu diesem Thema hatte ich dann auch noch einen Beitrag zu bieten: ich berichtete von meinem Erlebnis mit dem frisch ausgepreßten Zuckerrohrsaft und schlug vor, wir könnten uns auf dem Heimweg ein Gläschen sozusagen als Nachspeise vergönnen. Da tauchte nun allerdings die peinliche Frage auf: und wie ist das mit der Rache des Pharao? Denn diese Frage konnte ich mit gutem Gewissen nicht beantworten.
Und so kam es, daß, als wir wieder ins Hotel zurückwanderten und wir bei der Zuckerrohrpresse vorbeikamen, sich zwar alle neugierig den Betrieb dort anschauten, aber keiner den Saft ausprobieren wollte außer Götzi, Lydia und Myriam; diese war nämlich inzwischen wieder zu uns gestoßen. Und ich genehmigte mir auch noch ein Gläschen. Hingegen fand Götzis Vorschlag viel mehr Anklang, und der Greißler, dem wir den Wein abkauften, strahlte nachher übers ganze Gesicht und winkte uns noch lange nach; offenbar hatte er mit uns das Geschäft seines Lebens gemacht.
Da fiel mir plötzlich auf, daß Myriam irgendwie bedrückt wirkte, und ich fragte sie einigermaßen besorgt, ob mit ihr irgendwas sei.
'N-nein, es ist nichts', antwortete sie zögernd und wirkte dabei alles andere als überzeugend. Aber jetzt ließ ich natürlich nicht mehr locker, und noch bevor wir ins Hotel zurückgekommen waren, rückte sie mit der Sprache heraus: sie habe kein Zimmer. Der Grund für dieses Dilemma sei wahrscheinlich der Umstand, daß ursprünglich ein männlicher Führer vorgesehen war, und der hätte natürlich ohne weiteres mit Machmut und den zwei Polizisten in einem Zimmer übernachten können. Und dazu komme, daß diese sie drängten, unbedingt zu ihnen zu kommen; Machmut weniger, und der sei auch einigermaßen verläßlich, wohl aber die zwei anderen. Die seien entsetzlich lästig, und sie finde sie nicht im geringsten vertrauenswürdig.
'Ja, da kommst du natürlich zu uns!' rief ich spontan aus. 'Ich hoffe, du findest uns vertrauenswürdig genug!'
Myriam zögerte anfänglich und war sich keineswegs sicher, daß Götzi und ich vertrauenswürdig genug seien. Aber wie sie dann hörte, daß auch Lydia und Babsi bei uns im Zimmer schliefen, da zögerte sie nicht länger und war außer sich vor Erleichterung und Dankbarkeit und wäre mir, glaub' ich, am liebsten um den Hals gefallen. Und genauso wäre ich ihr am liebsten um den Hals gefallen, und ich war außer mir vor Freude und Begeisterung, und zugleich bemächtigte sich meiner eine ungeheure Erregung; aber natürlich versuchte ich meine Begeisterung und vor allem meine Erregung nach Möglichkeit zu unterdrücken. Und dann war da noch das Problem: wie sag' ich's meinem Kinde? Was würde wohl Götzi dazu sagen? Der spazierte gerade wie der sprichwörtliche Hahn am Mist vor Myriam und mir und gebärdete sich wie der sprichwörtliche Hahn im Korb, das heißt, er führte am rechten Arm die Lydia und am linken Arm die Babsi spazieren und amüsierte sich blendend mit ihnen. Na, wenigstens vernachlässigte er mir die Babsi nicht! Im Moment konnte ich ihn natürlich nicht stören, aber sobald wir im Hotel angelangt waren und es sich ohnehin herausstellte, daß kein gemeinsamer Gutenachttrunk stattfinden würde - wo auch? -, sondern jeder unverzüglich in sein Zimmer strebte, da sagte ich's ihm und damit natürlich auch den beiden Damen. Und da machte Götzi einen Augenblick lang ein Gesicht, als wollte er mir an die Gurgel fahren, beherrschte sich aber dann und machte gute Miene zum (vermeintlich) bösen Spiel oder
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