Geliebte Myriam, geliebte Lydia
nicht Segelboote auf uns, sondern eine Motorfähre, die, wie man sah, auch Pkw transportieren konnte.
Diese Überfahrt war nun klarerweise bei weitem nicht so idyllisch und romantisch wie die mit dem Segelboot, hatte aber dafür wieder andere Vorteile: man klebte nicht so aufeinander, und man konnte zu zweit miteinander plaudern, ohne daß alle anderen Ohrenzeugen der Plauderei wurden. Als ich die Fähre als letzter betrat, lehnten auf der einen Seite bereits Lydia und Götzi nebeneinander an der Reling, auf der anderen Seite Myriam und Babsi. Da neben letzteren, durch Zufall oder nicht, noch Platz war, neben Lydia und Götzi aber nicht, leistete ich eben Myriam und Babsi Gesellschaft und wurde von ihnen sogar freudig begrüßt. Obwohl die Fähre nun, nachdem wir sie gestürmt hatten, bummvoll war, legte sie noch nicht ab, und wir sahen auch bald, warum nicht. Mit straff gespanntem Segel kam uns nämlich ein großes Segelboot entgegen, das heißt, es fuhr stromaufwärts, und unser Fährmann hatte offensichtlich vor, es zuerst passieren zu lassen. Dabei fiel mir erst richtig auf, daß heute ein ganz besonders starker Nordwind wehte. Es dauerte auch nicht lang, und das Segelboot befand sich auf gleicher Höhe mit uns. Jetzt konnten wir auch seine Ladung deutlich erkennen: es war bis hoch hinauf angefüllt mit sorgfältig geschlichteten dickbauchigen Töpfen aus gebranntem Ton.
Jetzt ging's endlich bei uns los, aber zu meinem Leidwesen verließ uns jetzt Myriam und ging für uns bezahlen oder irgend sowas. Der Babsi schien das aber nicht viel auszumachen, im Gegenteil, sie schien gern die Gelegenheit zu ergreifen, um, wie sie mir erklärte, endlich einmal mit mir ein bisserl plaudern zu können. Naja, und worüber plauderte sie mit mir? Nun, über den wunderschönen gestrigen Abend hauptsächlich: die Überfahrten im Segelboot, die Wanderungen zu den Felsengräbern und wieder zurück, die anschließende Fahrt ins Hotel, das Abendessen und letztlich auch das Massenquartier in unserem Zimmer. Sie habe das als keineswegs unangenehm empfunden; sie liebe es, wenn das Leben ein bisserl abenteuerlich sei. Schade nur, daß die angekündigte Party wieder abgesagt worden sei; sie hätte nicht sofort schlafen zu gehen brauchen. Ja, wenn das so sei, erwiderte ich reichlich forsch, könne man die Party ja nachholen; soviel ich wisse, würden wir heute ja wieder in einem Hotel übernachten. Und um meine Erwiderung nicht allzu forsch klingen zu lassen, ergänzte ich: '... und zwar in einem viel schöneren.' Und von diesen Aussichten und ebenso von meinem Vorschlag zeigte sie sich ausgesprochen begeistert.
Am anderen Ufer wartete auf uns ein offener Jeep, der uns bis zu dem mehrere Kilometer entfernten Fuß des Berghanges bringen sollte. Da wir aber natürlich nicht alle auf einmal hineingingen, mußten wir uns auf zwei Gruppen aufteilen, und der Jeep mußte zweimal fahren. Wir durchfuhren zunächst ein kleines Dorf, und hinter diesem fing sofort die Wüste an. Diese ganze ausgedehnte, von Berghängen theaterförmig umrahmte Wüstenebene am Nil ist die Stelle von Echnatons neugegründeter Stadt gewesen, aber zu sehen ist davon kaum was außer ein paar bescheidene Grundmauern und die unvermeidlichen Felsengräber auf den Berghängen ringsum. Aber in den bescheidenen Grundmauern wurde der weltberühmte Kopf der schönen Nofretete gefunden, und die Wandgemälde in den Felsengräbern sind wichtige Zeugnisse der sogenannten Amarna-Kunst.
Während der übrigens fürchterlich holprigen und dazu staubigen Fahrten im Jeep hatte ich Gelegenheit, Clemens und Klein-Barbara ein bißchen zu beobachten. Bei ihnen schien alles unverändert: sie himmelte ihn an, und - aha, das war neu! - er himmelte sie an, und beide bemühten sich, die jeweilige Anhimmelung möglichst unauffällig zu gestalten, nämlich offenbar so, daß es nicht nur die anderen, sondern vor allem auch der Angehimmelte nach Möglichkeit nicht merken sollte.
Als wir - ich war bei der zweiten Partie - wieder zum Nil zurückkamen, befand sich die Fähre gerade am anderen Ufer. Diese Wartezeit nutzte ich aus, um ganz allein ein Stück am Ufer entlangzuspazieren oder, wie man so schön sagt, zu lustwandeln. Ich schaute gerade einer Gruppe kleiner Buben zu, die eifrig damit beschäftigt waren, Fischernetze auszubessern und mich um Kugelschreiber anzubetteln, da stand auf einmal, wie aus dem Erdboden gewachsen, der Clemens neben mir, wohlgemerkt ohne Klein-Barbara, und fragte mit
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