Geliebte Myriam, geliebte Lydia
führenden Treppe zu erkennen ist; aber der Rest der Treppe ist unter ungeheuren Schuttmassen verborgen. Myriam äußerte die Vermutung, daß diese Treppe früher einmal zum Grabeingang geführt haben könnte. Hier machten wir also wieder kehrt und erforschten den Rest dieses Labyrinths, also vor allem die Teile jenseits der Schmalen Pforte. Dort entdeckten wir unter anderem eine zweite Treppe, die noch weiter in die Unterwelt hinunterführte. Sie war nicht verschüttet, führte aber nur in einen relativ kleinen Raum, hinter dem es nirgends weiterging; seine Wände wiesen übrigens auch keine Malereien auf, und Myriam meinte, hier sei noch ein ausgedehntes unteres Stockwerk geplant gewesen, aber nicht mehr ausgeführt worden. Diesen kleinen Raum ernannten wir einhellig zu unserem Klo. Lieber wär's uns natürlich gewesen, wenn jeder sein eigenes Klo gehabt hätte, und Nebenräume hätten sich dafür genügend gefunden; womit wir aber sparen mußten, das war das Wasser, und Klopapier hatten wir natürlich nicht mit, und in den Säcken befand sich garantiert keines, denn die Ägypter beziehungsweise die Orientalen verwenden anstelle von Klopapier immer nur Wasser.
Naja, ihr müßt entschuldigen, das ist natürlich ein etwas ungustiöses Thema, aber für uns war's, wie ihr euch vielleicht denken könnt, ein ernstes Problem, genauso gewöhnungsbedürftig wie zum Beispiel auch das Schlafen auf dem harten Erdboden, das heißt, nur mit einer Wolldecke zwischen uns und dem Erdboden. Wir suchten uns zwar eine Stelle, wo der Felsboden mit Sand bedeckt war, aber trotzdem erwies sich das Schlafen auf dem Sand und ohne Kopfpolster als höchst ungewohnt. Da sieht man wieder einmal, wie verwöhnt wir eigentlich sind! Obwohl ich also inzwischen hundemüde, ja, total geschafft war, konnte von einem raschen Einschlafen überhaupt keine Rede sein. Erstens war ich, wie gesagt, das harte Liegen und das Fehlen eines Kopfpolsters nicht gewohnt. Zweitens tat mir nicht nur von der Schlepperei, sondern vor allem von den diversen Stürzen und Mißhandlungen bald der ganze Körper weh. Und drittens gingen mir halt die bestürzenden Ereignisse des heutigen Abends ständig durch den Kopf, und das Schlamassel, in dem wir uns jetzt so plötzlich befanden, bereitete mir das allergrößte Kopfzerbrechen, und ich war mir überhaupt nicht sicher, ob der Optimismus meiner süßen Lydia, die sich da neben mir auf ihrem harten Lager ebenfalls hin- und herwälzte, auch nur ansatzweise gerechtfertigt war, und konnte mir auch beim besten Willen nicht vorstellen, wie es möglich sein sollte, hier auf eigene Faust hinauszukommen. Und schließlich machte ich mich auch noch um meine Leute, die höchstwahrscheinlich ahnungslos in ihren mehr oder weniger weichen Hotelbetten schlummerten, Sorgen und malte mir immer wieder den Aufruhr aus, der am kommenden Morgen im Hotel herrschen würde, wenn's Zeit zur Abfahrt ist, und wir drei sind wie vom Erdboden verschluckt; und ich mußte grimmig schmunzeln, wenn ich daran dachte, daß das sogar wortwörtlich zutraf.
Aber ich merke gerade, daß ich da meinem Bericht jetzt vorgreife. Also zurück zu unserer zweiten Ankunft in unserer tollen 'Ferienwohnung'! Wie ich dort Sack und Kanister bei den übrigen Säcken und Kanistern deponierte, begannen wir erst einmal die Säcke, die wir hergeschleppt hatten, und die, die schon bei unserer ersten Ankunft hier gelegen waren, systematisch zu untersuchen und entdeckten dabei ein ganzes Warenlager, das ganz offensichtlich dazu bestimmt war, uns das Leben zu versüßen, oder sagen wir: uns den Aufenthalt hier in der Unterwelt so angenehm wie möglich oder zumindest erträglich zu machen. Das reichte von der Kerze bis zum Nachthemd und dem Kopftuch; ja, und nicht einmal einen Nachttopf hatten sie vergessen. Was fehlte, war eigentlich nur ein Fernsehapparat oder wenigstens ein Radio; aber was hätten wir andererseits ohne Stromanschluß und vor allem ohne 'Hausantenne' mit einem Fernsehapparat angefangen? Übrigens müssen sie auch mit unseren Verletzungen und blauen Flecken gerechnet haben, denn wir fanden sogar eine Dose mit einer recht wohlriechenden Salbe, mit der ich nicht nur meine schmerzenden Körperpartien einrieb, sondern vor allem die von Lydia und - jawohl - auch die von Myriam; und die zwei erklärten übereinstimmend, daß das äußerst wohltuend sei, und ich zerbrach mir anschließend den Kopf, ob sie nun die Salbe als solche meinten oder vielleicht auch das Einreiben,
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