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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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und machte dabei ein ganz entzückendes Schmollmündchen. Aber dann wurde sie wieder ernst, betrachtete zuerst ihre Hände und dann ihren rechten Ellbogen und sagte: 'Aber eins möcht' ich wirklich noch gern machen, bevor wir hier losmarschieren, nämlich mir wenigstens die Hände waschen und vielleicht auch den Ellbogen!'
    'Ja - eine ausgezeichnete Idee!' rief Myriam. 'Meine armen, zerschundenen Hände möchte ich mir auch gern waschen!' Sie betrachtete sie skeptisch und fuhr fort: 'Ich weiß nicht, wie ich mit diesen das lange Seil hinaufklettern soll! Sie tun mir so schon höllisch weh!'
    'Zähne zusammenbeißen, liebste Myriam!' sagte ich aufmunternd. 'Anders kommen wir hier nicht raus!' Und während sie noch verzweifelt auf ihre mißhandelten Hände starrte, hob ich den einen Kanister und goß etwas Wasser zuerst über Lydias Hände und Ellbogen und dann über Myriams Hände. Dabei wurde mir bewußt, daß ich eigentlich einen Mordsdurst hatte, und so leerten wir anschließend zu dritt eine Mineralwasserflasche. So gestärkt, nahm ich sodann die beiden in meine Arme und drehte mich mit ihnen einmal um die eigene Achse, was so viel heißen sollte wie 'Auf Nimmerwiedersehen!', und damit machten wir uns unverzüglich auf die Socken und traten einträchtig den Rückmarsch an. Gleich bei der Schmalen Pforte, durch die wir den Säulensaal verließen, nahm ich meine Hände von ihren Schultern, und von da an marschierten wir wieder im Gänsemarsch, und zwar ich vorn, Lydia in der Mitte und Myriam als Schlußlicht. Wir legten den ganzen Weg in tiefem Schweigen zurück - für den Fall, daß sich unsere lieben Freunde noch irgendwo versteckt halten sollten; aber natürlich waren sie schon längst über dem Berg beziehungsweise über alle Berge. Und ob ihr's glaubt oder nicht: wir beeilten uns jetzt aus eigenem Antrieb genauso, wie wir uns auf dem Hinweg, von den Sklaventreibern angetrieben, beeilt hatten, und schenkten den Schönheiten der altägyptischen Kunst genauso wenig Beachtung wie diese Banausen und Ignoranten vorher. Aber die Strafe folgte auf dem Fuße. Denn wie heißt das Sprichwort? Eile mit Weile! Na, und wie oft wir in der Eile die falsche Abzweigung genommen haben ... Mindestens vier- oder fünfmal ist es entweder nicht mehr weitergegangen oder sind wir in Kammern oder Hallen gelandet, die zwar wunderschön und hochinteressant waren, die wir aber auf dem Hinweg garantiert nicht gesehen hatten.
    Aber trotz aller Irrwege kamen wir schließlich und endlich zum Ausgangspunkt, dem Schacht, zurück. Mir schlug das Herz bis zum Hals, und zwar nicht nur vor Anstrengung, als nach einem steilen Anstieg der Gang eine scharfe Wendung nach rechts machte und plötzlich ein vereinsamter Kanister und ein ebenso vereinsamter Sack vor uns in Sicht kamen und dahinter der Gang zu Ende war. Ich wußte: jetzt würde es sich gleich entscheiden, ob wir in die Freiheit hinausklettern können oder auf unabsehbare Zeit und mit unabsehbarem Ausgang in diesem bestens getarnten Versteck, in diesem perfekt gesicherten Verlies schmachten müssen.
    Und? Hing der Strick noch herunter, wie es sich gehörte? He, wo war der Strick? Wo versteckte er sich denn? Verdammt! Kein Strick zu sehen! Scheiße! Der Strick war weg! Enttäuschung, Entsetzen befiel mich und höchstwahrscheinlich nicht nur mich. Keiner von uns sprach ein Wort, aber alle machten ein langes Gesicht.
    Aber halt! Vielleicht könnten wir mit etwas Glück einfach so hinaufklettern, an der zwar senkrechten, aber nur roh behauenen Schachtwand? Zweifelnd und mit letzter Hoffnung blickte ich die Schachtwand hinauf und erwartete, oben in der Mitte die Sterne funkeln zu sehen. Aber da funkelten keine Sterne. Waren plötzlich Wolken aufgezogen? War dichter Nebel aufgekommen? Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe in die Höhe und versuchte was zu erkennen. Und ich erkannte auch was. Ich erkannte auffallend lange und relativ schmale Felsbrocken und über diesen weitere Felsbrocken. Und sonst erkannte ich nichts mehr, und mir wurde schwarz vor den Augen, und ich begann wie ein Besoffener zu taumeln und mußte mich bei einer von den zweien festhalten - ich weiß bis heute nicht, ob das die Lydia oder die Myriam gewesen ist - und legte meine Stirn auf ihre Schulter und blieb so geraume Zeit, bis ich mich halbwegs erholt hatte.
    Danach richtete ich mich wieder auf und schaute noch einmal in die Höhe, um mich zu vergewissern, daß ich mich eh nicht verschaut hatte; oder es hätte ja auch sein

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