Geliebte Myriam, geliebte Lydia
natürlich den Kreisen der Fundamentalisten an, und die scheinen nun uns zu mißbrauchen, um ihre verhafteten Mitbrüder - so nennen sie sie - freizupressen.'
'Freizupressen?' wiederholten Lydia und ich entsetzt wie aus einem Munde, und ich dachte im stillen daran, was Freipressen alles bedeuten kann und was zu geschehen pflegt, wenn das Freipressen eventuell mißlingen sollte. Aber um sie wieder auf bessere Gedanken zu bringen, versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen und sagte so fröhlich wie möglich, indem ich mich umblickte: 'Na, wenigstens haben sie da eine einmalig schöne Ferienwohnung für uns ausgesucht, und eine künstlerisch wertvolle obendrein! Hab' ich nicht recht?' Und gleichzeitig schaute ich sie, nämlich Lydia und Myriam, aufmunternd an.
Aber irgendwie ging mein zweifellos höchst löblicher Versuch völlig daneben, denn als Antwort schaute mich Lydia zunächst nur mit glasigen Augen an und brach denn mit einem Schlag in Tränen aus und hängte sich mir bitterlich schluchzend an den Hals. Sie beruhigte sich aber weit schneller als Myriam und flüsterte hierauf: 'Du hast recht: eine einmalig schöne Ferienwohnung! Vollkommen ruhig gelegen! Und einmalig geeignet für unvergeßliche Flitterwochen mit meinem Liebsten! Und das mein' ich jetzt ganz ehrlich!' Und dazu küßte sie mich zärtlich und hatte dabei keinerlei Hemmungen vor der Myriam.
Ich lächelte sie an und flüsterte zurück: 'O ja, das glaub' ich dir!' Ich schaute mich ein wenig um und sagte darauf schon etwas lauter: 'Nur die Einrichtung läßt halt ein bisserl zu wünschen übrig!'
Da meldete sich Myriam zu Wort und sagte: 'In den Säcken, die wir geschleppt haben, sind angeblich Decken drin. Die werden uns vermutlich als Betten dienen.' Und damit bückte sie sich nach einem Sack, schnürte ihn auf, zog eine relativ dicke Wolldecke hervor und sagte: 'So sehen ab heute unsere Betten aus.'
'Soso, so sehen ab heute unsere Betten aus', wiederholte ich und versuchte, in meine Worte einen möglichst sarkastischen Unterton hineinzulegen.
'Ja, ja!' meinte Myriam eifrig, machte die anderen Säcke auf, wühlte in diesen ein bißchen herum und sagte dann: 'Aha, hier gibt's Mineralwasser, und hier gibt's was zum Essen für uns ...'
'Jö, sicher Rahmschnitzerln und Cordon bleu und andere solche Köstlichkeiten, nicht?' schwärmte ich. Aber ohne meine Ironie zu beachten, machte sie sich als nächstes über die Plastikkanister her und konstatierte: 'Aha - Wasser! Wie sie gesagt haben.'
'Nur Wasser?' höhnte ich. 'Kein Wein? Kein Bier? Oder wenigstens Milch?'
Myriam schaute mich hilflos an, zuckte mit der Schulter und schüttelte ihr süßes Köpfchen. Aber diesmal war ich davon, nämlich von der Süßigkeit ihres Köpfchens, nur mäßig beeindruckt, denn jetzt platzte mir der Kragen, und ich schimpfte los: 'Soso, so sieht ab heute unsere Ernährung aus, so sehen ab heute unsere Betten aus, so sieht ab heute unsere Wohnung aus, so sieht ab heute unser Leben aus! Und wie lang, wenn ich fragen darf? So lang, wie's diesen Herrschaften beliebt? Bis es diesen Herrschaften beliebt, uns wie die Hasen abzuknallen?'
Und in diesem Ton ging's noch eine Zeitlang weiter, und dabei steigerte ich mich in eine sagenhafte Wut hinein. Myriam schaute mich die ganze Zeit nur erschreckt an, und Lydia machte ein ernstes Gesicht und nickte beifällig; ihr sprach ich offensichtlich aus der Seele. Schließlich beendete ich meine Schimpfkanonade mit den Worten: 'M-m, ohne mich! Und ohne Lydia! Und auch ohne dich, das sag' ich dir! Einer muß sich ja um dich kümmern! Nein, nein! Weißt du, was wir jetzt machen werden? Wir werden jetzt zum Schacht zurückmarschieren, schauen, ob er noch offen ist und ob das Seil noch hängt, hinausklettern und eben zu Fuß zum Hotel zurückwandern! Klar?'
Myriam schaute mich ein Weilchen stirnrunzelnd an und murmelte dann, kaum hörbar: 'Ja, Christian - falls das Seil wirklich noch hängt und der Schacht wirklich noch offen ist. Und falls unsere Entführer schon über dem Berg sind, oder wie das im Deutschen heißt.'
'Du meinst: über alle Berge sind?' erwiderte ich.
'Ja, von mir aus: falls unsere Entführer schon über alle Berge sind.'
'He, und was ist mit der ausführlichen Besichtigung?' meldete sich Lydia lächelnd zu Wort.
'Ah, die Frau Dworschak belieben zu scherzen!' rief ich und mußte über ihren trockenen Humor kurz, aber herzlich lachen.
'Hat der Herr Reiseleiter doch höchstpersönlich angekündigt!' konterte sie
Weitere Kostenlose Bücher