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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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    (SCHIKANEDER – MOZART)

    Na gut. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war ebenfalls wieder exakt die gleiche Situation wie tags zuvor: meine zwei Lieben und Süßen waren schon längst auf und bedachten mich ob meines gesegneten Schlafs mit gutmütigem Spott. Und wieder war mein allererster Gedanke: Na Gott sei gelobt, gedankt, gepriesen und so weiter, es ist alles okay! Als zweites fiel mir auf, daß Myriam bei weitem nicht mehr so stöhnte, wie sie noch tags zuvor um dieselbe Zeit gestöhnt hatte; und das beruhigte mich zusätzlich. Mein nächster Gedanke war: Hu, ich sterbe vor Hunger! Und den, nämlich diesen Gedanken, ließ ich, wie Homer sagen würde, dem Gehege meiner Zähne entfliehen, und Lydia erbarmte sich meiner und rettete mich umgehend vor dem drohenden Hungertod und begrüßte mich außerdem mit einem warmen, süßen Bussi. Und dann dachte ich: Was ist denn heute überhaupt für ein Tag? 'Tag' natürlich zwischen Anführungszeichen; und ich merkte, wie wir langsam, aber sicher das Gefühl für Tag und Nacht zu verlieren drohten, und nahm mir hic et nunc vor, ab sofort über die Stunden und Tage genauestens Buch zu führen, holte auf der Stelle meinen Notizblock aus meiner Tasche heraus und begann noch während meiner Fütterung durch Lydia, sprich: während des Frühstücks, mit tatkräftiger Hilfe und unter lebhafter Anteilnahme meiner zwei Süßen die Abfolge der Ereignisse seit jenen unvorhergesehenen Ereignissen am Freitag abend in Stichworten festzulegen und aufzuzeichnen.
    Und was war also für ein Tag? Nach unseren gemeinsamen Berechnungen und laut Lydias Armbanduhr, die eine Datumsanzeige besitzt, war heute Montag, der 20. Februar. Das hieß also, die Semesterferien waren wieder vorbei, und die Schule hatte wieder angefangen. Es war dreiviertel neun, das heißt, bei uns daheim war's dreiviertel acht, und damit sollte ich gerade in diesem Moment in die erste Unterrichtsstunde des neuen Semesters gehen; und dasselbe galt für Lydia. Und ich stellte mir die Aufregung vor, die genau in diesem Moment vermutlich in Melk und in St. Pölten herrschte, weil wir nicht daherkamen. Vielleicht hatte sich zusätzlich bereits unser Schicksal herumgesprochen? Vielleicht hatten meine Leute die Information mitgebracht? Vielleicht war sie gar schon in den verschiedenen Medien verbreitet worden? Vielleicht waren wir drei inzwischen zu den Helden einer österreichweiten oder gar weltweiten Sensationsstory avanciert? Daß meine Leute schon wie geplant zu Hause waren, nahm ich als gegeben an; schließlich hatten sie ja alle ihren fixgebuchten Platz in der Maschine, die laut Flugplan kurz nach Mitternacht in Assuan gestartet und zirka vier Stunden später in Wien gelandet war. Und wißt ihr, was mir zu meinem Schrecken als nächstes eingefallen ist? Daß ich mir fest vorgenommen hatte, heute in meiner achten Klasse die letzte Schularbeit vorzubereiten, damit sie einen möglichst guten Start für die Matura hätten. Und jetzt war's damit Essig! Natürlich dachte ich auch daran, was meine Frau, mein Filius und meine Eltern über mein Ausbleiben wohl für ein Gesicht gemacht hätten oder machen würden, je nachdem.
    So, das wär' jetzt also geklärt. Und was weiter? Es stellte sich heraus, daß meine zwei Süßen mein Aufwachen diesmal deshalb schon so herbeigesehnt hatten, weil sie schon buchstäblich nach Arbeit lechzten; das heißt, sie konnten den Beginn des gemeinsamen Tagewerks kaum mehr erwarten. Und dabei wurde mir bewußt, daß ich von dieser Ungeduld genauso befallen war wie sie. Und zwar steckte dahinter wahrscheinlich nicht nur der Wunsch, den sprichwörtlichen Faden der Ariadne zu finden, und damit letztlich die Sehnsucht nach Sonne, Licht und frischer Luft, sondern genauso auch das Bedürfnis nach sinnvoller Beschäftigung und sowas wie ein automatischer Selbstschutz vor körperlichem und geistigem Verfall, der sogenannten 'Versumperung', nicht wahr?
    Na, also dann sofort auf und an die Arbeit! Und was arbeiten wir heute? Gestern haben wir uns ja einen ersten Überblick über das ganze Labyrinth verschafft. Damit können wir heute natürlich zur detaillierten Erforschung von dessen Einzelteilen übergehen. Und mit welchem Einzelteil fangen wir an? Mit unserer Ferienwohnung hier? Das wäre natürlich das Naheliegendste gewesen. Aber erstens hatte ich die ja schon einigermaßen erforscht, zweitens hatte ich in ihr nicht einmal den Ansatz zu einem Faden der Ariadne entdecken können, und drittens

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