Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
damit sie nicht auf die Idee kämen, noch andere Männer als den ihnen angetrauten auszuprobieren.
    Während dieses Vortrags hatte ich sträflicherweise ganz aufs Schaufeln vergessen und sah daher, wie Myriam zu meinen letzten Worten schmerzlich lächelte, entweder zustimmend oder von meiner Formulierung amüsiert oder beides gleichzeitig. Im übrigen gab sie jedoch keinen Ton von sich, und daher riß ich mich am Riemen und begann wieder wie ein Besessener zu schaufeln, und während ich schaufelte, fiel mir wieder die Sache mit meiner armen Lydia ein und verursachte mir das gleiche Bauchweh wie vorher, und ich beschloß, bei der nächsten Gelegenheit sofort zu ihr zurückzupilgern und Abbitte zu leisten, auch wenn's ein richtiger Canossagang werden sollte.
    Die Gelegenheit kam bald. Plötzlich spürte ich, wie sich eine zarte Hand auf meinen rechten Arm legte und ihn am Schaufeln hinderte. Ich blickte auf: es war Myriam, die mit undurchdringlichem Gesicht gebückt über mir stand - ich hatte mich nämlich inzwischen der Einfachheit halber hingekniet - und nach meinem Silberlöffel griff. 'Ah - du willst mich ablösen?' rief ich aus. 'Das ist aber sehr lieb von dir!' Und ich überließ ihr willig den Löffel, rappelte mich auf, küßte sie relativ flüchtig und sagte: 'Weißt du was? Ich werde schnell zur Lydia hinüberschauen, während du schaufelst. Ich hoffe, das macht dir nichts aus. Aber es läßt mir einfach keine Ruhe. Ich hab' so ein ungutes Gefühl.'
    Myriam schaute mich mit unsäglich traurigem Blick an, ließ sich dann unvermittelt auf die Knie nieder und begann zu graben, ehe sie mir versicherte, nein, nein, es mache ihr nicht das Geringste aus, und ich hätte völlig recht: ich müsse mich unbedingt um Lydia kümmern. Daraufhin rief ich ihr ein kurzes Abschiedswort zu, beteuerte, daß ich bald wieder zurück sein würde, und zischte ab. Ich zischte so hastig, daß ich unterwegs ein paarmal richtig auf die Nase fiel. Aber ich achtete jetzt weder auf eventuelle Schrammen noch auf zusätzlichen Dreck. Als ich unsere Ferienwohnung betrat und die Schmale Pforte passierte, fiel mir als erstes auf, daß es stockfinster war; es brannte kein Licht. Als zweites fiel mir das bitterliche Schluchzen auf, und jawohl - es war das Schluchzen meiner Lydia. Ich stürzte auf sie zu und richtete den Schein meiner Taschenlampe auf sie: sie kniete mit gesenktem Kopf auf ihrer Lagerstatt und schluchzte zum Gotterbarmen. Da rief ich: 'Lydia - Liebste!' und warf mich über sie und schlang meine Arme um ihren Hals und begann sie, ohne an den Staub in meinem Gesicht zu denken, wie wild abzuküssen. Und sie? Wehrte sie meine Küsse ab oder sowas? Nein, überhaupt nicht! Sie erwiderte sie zwar nicht, aber sie wehrte sie auch nicht ab. Ich könnte nicht sagen, wie lang das so ging. Und dann richtete sie sich unvermittelt auf und ... was glaubt ihr? ... fiel mir, immer noch schluchzend, um den Hals - was heißt: immer noch schluchzend? Wie ein Schloßhund heulte sie jetzt, legte ihren heißen und tränennassen Kopf auf meine Schulter und stammelte zwischen den Schluchzern: 'Ach, Schatzilein, ich bin ja so unglücklich!'
    Ich versuchte sie zu trösten, so gut ich konnte, indem ich ihr mit meinen staubigen Händen über die Haare streichelte und ihr immer wieder vorsagte, daß da gar kein Grund zum Unglücklichsein bestehe und auch nicht zum Weinen. Ohne auf meine Worte zu achten, murmelte sie dann plötzlich: 'Ach, ich hab' mich ja so gefürchtet - so ganz allein!'
    Wieder tröstete ich sie und sagte, sie müsse jetzt unbedingt mitkommen, um nicht weiterhin einsam und verlassen zu sein. Aber irgendwie war das doch nicht das richtige Argument, denn alles, was ich damit erreichte, war, daß sie von neuem den Ruf anstimmte: 'Ach, ich bin ja so unglücklich!' Und dann fuhr sie fort: 'Ach, warum liebst du mich nicht mehr?' Als ich ihr, reichlich bestürzt, versicherte, daß ich sie noch genauso liebe wie zuvor oder sogar noch mehr, verstärkte sie erneut ihr Heulkonzert und jammerte: 'Nein, du liebst ja jetzt die Myriam, und ich bleibe einsam und verlassen zurück!'
    Ja, das war offenbar weibliche Logik. Ich hatte im folgenden buchstäblich alle Hände voll zu tun, um zu beteuern, daß ich sie weiterhin liebe und immer lieben werde, daß sich das mit der Myriam nur aus dieser Ausnahmesituation hier ergeben habe - ich hatte nebenbei ein ziemlich schlechtes Gewissen, wie ich das von mir gab, aber andererseits war's, daß müßt ihr zugeben,

Weitere Kostenlose Bücher