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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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gegenwärtigen Oberfläche des Sandbergs noch breiter zu werden, denn seine Linien schienen nicht in einer Geraden, sondern in einer Art leichter Sinuskurve zu verlaufen. 'Na, da hast du aber sehr fleißig gearbeitet, während ich weg war!' sagte ich anerkennend zu Myriam. 'Und mir scheint, du hast wirklich was entdeckt!'
    'Nicht wahr?' rief sie. 'Was, sagtest du, steht da drüber in griechischer Sprache?'
    Ich bückte mich und las noch einmal und übersetzte: '„In deinem unerforschlichen Ratschluß“, und so weiter ... Aha, hier kommt's: „indem du den Abgang ins Schatzhaus der Dämonen zeigst“.' Und ich wiederholte: '... den Abgang ins Schatzhaus der Dämonen, den Weg hinunter ... Na, das verspricht ja spannend zu werden!'
    Und ich spürte, wie ich selber von einer unglaublichen Erregung gepackt wurde, und entriß Myriam meinen Silberlöffel und kniete mich hin und begann unverzüglich mit Feuereifer zu schaufeln und schenkte meinen zwei Süßen überhaupt keine Beachtung mehr. Ich schaufelte und schaufelte, und der Sandberg wurde mit der Zeit tatsächlich niedriger, und der Spalt wurde gleichzeitig tatsächlich breiter, und dahinter war's kohlpechrabenschwarz. Und während ich wie in Ekstase schaufelte, machte es auf einmal krach!, und ich war irgendwo hart angestoßen, und ich schaute nach, und mein wunderschöner tibetanischer Silberlöffel hatte auf einmal eine häßliche Delle, und diese ging nicht wieder weg, auch wenn ich sie noch so intensiv anstarrte. Jetzt wurde ich mir der Anwesenheit meiner zwei Süßen wieder bewußt, denn sie drängten sich um mich und wollten wissen, was los sei. Aber das konnte ich ihnen auch nicht sagen, und drum kümmerte ich mich nicht weiter um sie und begann sorgfältig den Sandberg zu untersuchen; das heißt, ich grub einfach mit äußerster Vorsicht weiter. Und was kam dabei allmählich zum Vorschein? Naja, nichts Besonderes, so schien es: Steine halt, oder genauer: Steinplatten, und zwar aufrecht stehende, an die Wand gelehnte Steinplatten. An die Wand gelehnt? Ja, soweit da eine Wand war. Aber nicht überall war da eine Wand. Als nächstes entdeckte ich nämlich, und jetzt packte mich mit einemmal eine unglaubliche Erregung, daß sich hinter besagten Steinplatten der Spalt schlagartig zu einem Riesenloch weitete, und dahinter war's wie? Genau: kohlpechrabenschwarz. Diese Steinplatten waren also, wie es aussah, nur mit ihrem oberen Rand an die Wand gelehnt; weiter unten standen sie einfach vor einem Riesenloch - um es zu verbarrikadieren? Das war eben die Frage. Wir konnten sie uns im Moment noch nicht beantworten - aber das war nur eine Frage der Zeit und hing allein von unserem Arbeitstempo ab.
    Naja, an mir sollte es nicht liegen! Ich machte mich erneut an die Arbeit und begann fieberhaft, wie eine Maschine, weiterzuschaufeln. Ja, und vor lauter Arbeitswut vergaß ich total auf das Allernaheliegendste; offenbar hatte sie, die Arbeitswut nämlich, bei mir das gesamte Denkvermögen ausgeschaltet. Vielleicht spielte die ungeheure Erregung, von der ich jetzt gepackt war, auch eine gewisse Rolle; das wär' durchaus möglich. Andererseits müssen meine zwei Süßen eigentlich von derselben Erregung gepackt gewesen sein, und doch hatte nicht ich die Idee, sondern die Lydia. Sie sagte nämlich unvermittelt in die tiefe, nur von dem regelmäßigen Geräusch meines hektischen Schaufelns und von meinem angestrengten Schnaufen unterbrochene Stille hinein: 'Warum leuchten wir nicht einmal in dieses Loch hinein?'
    Na, ich dachte, mich laust der Affe! Tatsächlich: warum leuchteten wir nicht kurz einmal in das Loch hinein? Da schuftete ich nun wie ein Schwein und kam nicht einmal auf die Idee, in das Loch hineinzuleuchten! Ich schlug mir mit der flachen Hand fest auf den Kopf und warf meiner Lydia einen entschuldigenden Blick zu. Aber die hatte offenbar für solche Mätzchen keine Geduld mehr und hatte sich, ehe ich noch zu irgendeiner sinnvollen Aktion fähig war, neben mir zu Boden geworfen und versuchte jetzt angestrengt in das kohlpechrabenschwarze Loch hineinzuspähen, indem sie mit ihrer Taschenlampe hineinleuchtete. Ihre Nase war an einer der Steinplatten plattgedrückt, ihre Augen waren weit aufgerissen, und ihr Mund stand ebenfalls offen, und ich meinte zu hören, wie sie kurz nach Luft schnappte und wie ihr anschließend der Atem stockte. Als sie keine Anstalten machte weiterzuatmen und ich schon halb befürchtete, sie würde jeden Moment ersticken, und als sie sich auch

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