Geliebte Myriam, geliebte Lydia
verstehen, daß sie sich so grämt. Es war ein großer Fehler von mir ...'
'Aber du liebst mich doch, hast du gesagt, oder ...'
'Ja, natürlich liebe ich dich. Ich kann mir nicht helfen ...' Sie verstummte und schaute mich mit derart traurigen und zugleich sehnsüchtigen Augen an, daß ich total die Fassung verlor. Ich ließ meinen Löffel fallen und warf mich buchstäblich auf sie und begann sie stürmisch abzuküssen, und da sie meine Küsse nach einigem Zögern nicht unerwidert ließ, ebenso stürmisch zu streicheln und in jeder anderen Hinsicht zu liebkosen; und da wir ja beide nichts anderes anhatten als das Nachthemd, oder sagen wir: die Galabeja, war's weder ein weiter noch ein steiniger Weg, bis zu Myriams nackter Haut und von dieser bis zu ihrem Allerheiligsten vorzudringen. Und wieder zerriß ein leidenschaftlicher Schrei aus ihrem Mund die atemlose Stille - aber nur einer, und ein kurzer noch dazu; danach biß sie sich sichtlich auf die Zunge und verstummte schlagartig und schnaufte nur sehr heftig. Und durch ihr Beispiel veranlaßt, gab ich mir, als es bei mir so weit war, ebenfalls größte Mühe, möglichst leise zu sein. Ob's mir auch wirklich gelang, kann ich zwar nicht sicher sagen; nur das eine weiß ich noch ganz genau, daß mir sehr nach hemmungslosem Brüllen war. Wahrscheinlich war die Zurückhaltung sowieso vollkommen lächerlich, denn wir waren bestimmt viel zu weit von Lydia entfernt, als daß man hätte befürchten müssen, daß sie was hört. Aber so ist halt der Mensch: wenn die Gefahr nahe ist, schert er sich kaum um sie, ist sie aber weit weg, dann macht er vor Angst in die Hose.
Während wir nach dieser beiderseitigen Eruption noch still beieinander lagen und die Wellen der Erregung langsam verebben ließen, fiel mir in der Dunkelheit - das heißt, Myriams Gesicht lag zufällig im Schatten, und überdies hatte ich sowieso gerade die Augen zu - da fiel mir also in der Dunkelheit plötzlich zweierlei auf: erstens, daß ihre Augen und Wangen ganz naß waren, und zweitens, daß sie leise, ganz leise kicherte. Das war nun ein derartiger Widerspruch, daß ich im ersten Moment richtig sprachlos war. Aber sobald ich mich von meiner Verblüffung halbwegs erholt hatte, sagte, das heißt, flüsterte ich: 'Habíbi? Du weinst und lachst zur gleichen Zeit?'
Statt einer Antwort küßte sie mich nur überaus zärtlich auf beide Augen, und darüber war ich so gerührt, daß ich eine Zeitlang überhaupt nichts herausbrachte. Danach flüsterte ich: 'Aber warum weinst du denn?' Und darauf antwortete sie in noch leiserem Ton: 'Weil es so schön war.'
'Und deshalb weinst du?'
'Ja, weil es das letzte Mal war.'
'Aber ...'
'Sag nichts dagegen, Habíbi!'
'Aber warum lachst du gleichzeitig?'
'Weil es so schön war, Habíbi.'
'Weil's so schön war?'
'Ja, weil es so schön war, daß ich jetzt genauso stöhnen mußte wie deine Lydia, als du sie gestreichelt hast.'
Da mußte ich schmunzeln, nicht so sehr über die Formulierung 'stöhnen mußte' als vielmehr über ihre Gleichsetzung von Lydias Stöhnen mit ihrem eigenen Brüllen; offenbar hatte sie dieses überhaupt nicht richtig wahrgenommen und war der Überzeugung, nicht anders gestöhnt zu haben, als wie sie das bei Lydia gehört hatte. Bevor ich noch was erwidern konnte, fuhr sie fort: 'Ich hätte nie gedacht, daß ich jemals ... wie sagt man da ... so viel empfinden würde ... so intensive Gefühle haben würde ... Ich dachte, ich spüre da unten nichts ... nichts mehr ...'
'Ah, ich weiß schon, was du meinst: als kleines Kind hast du noch Lustgefühle gehabt und später nicht mehr ... was wir erst kürzlich besprochen haben, nicht wahr?'
'Ja, genau.'
'Na, wissen möcht' ich, wie's sowas gibt!' Ich schüttelte verwundert den Kopf, drückte Myriam nachdenklich einen Kuß auf die Lippen und löste mich vorsichtig von ihr, um postwendend wieder meine Arbeit aufzunehmen; die durfte ich klarerweise nicht zu lange ruhen lassen. Und ich hatte erst ein paar Löffelvoll geschaufelt, als sie mich mit folgenden Worten überraschte: 'Habíbi? Soll ich es dir verraten?'
'Ach?' machte ich und hob den Kopf. 'Ich dachte, du weißt es nicht!'
'O doch! Ich weiß es nur zu genau. Ich wollte es dir damals nur nicht sagen; da hatte ich noch Hemmungen, weißt du? Außerdem ... außerdem denke ich nicht gerne daran.'
'Ah - ein sorgsam gehütetes Geheimnis?'
'Ja ... und nein. Jeder weiß es, aber niemand spricht darüber.'
'Hm? Das versteh' ich nicht.'
'Du wirst
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