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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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verzweifelten Hilferufe beachtete sie nicht einmal!

Naja. Anschließend bekam ich einen Verband verpaßt und wurde ohne viel Federlesens, wie man im Deutschen sagt, in mein Zimmer zurückgetragen und ins Bett gesteckt. Ich hatte fürchterliche Schmerzen und tat die ganze Nacht kein Auge zu, sondern weinte und schrie ohne Unterlaß. Aus diesem Grunde blieb mir auch noch der einzige Trost versagt, auf den ich in meiner Qual und Verzweiflung gehofft hatte, nämlich die Gegenwart meines Bruders. Der kam die ganze Nacht nicht in unser gemeinsames Bett, diese nicht und noch mehrere weitere Nächte nicht. Auch tagsüber stand mir niemand in meiner Not bei, abgesehen davon, daß mir meine Mutter zwei- oder dreimal am Tag den Verband wechselte. Aber dabei sprach sie kaum ein Wort mit mir, erklärte mir nichts, tröstete mich nicht und tat überhaupt, als ob das die selbstverständlichste Sache der Welt wäre.
    Mehrere Tage lang mußte ich so das Bett hüten und konnte mich vor Schmerzen kaum bewegen. Schlimm war auch, daß ich fast nicht Pipi machen konnte; es war mit derart unerträglich brennenden Schmerzen verbunden, daß ich es so lange wie möglich zurückhielt. Als ich mich dann von diesem Martyrium endlich wieder erholt hatte und wieder in die Schule geschickt wurde, da fragte ich meine Mitschülerinnen nach dem, was mit mir geschehen war. Und jetzt erst wurde mir die erwünschte Aufklärung zuteil. Ich mußte nämlich feststellen, daß sie alle die gleiche Erfahrung hinter sich hatten, gleichgültig, ob sie aus einer reichen oder aus einer armen Familie kamen. Ich erfuhr, daß diese Operation bei allen Mädchen vorgenommen wird, um ihre Reinheit zu bewahren und ihren guten Ruf zu schützen. Ein Mädchen, das diese Operation nicht mitgemacht hat, so sagten sie, kommt bei den Leuten ins Gerede, nimmt schlechte Manieren an und wird später den Männern nachlaufen; und wenn sie das Heiratsalter erreicht, wird kein Mann sie haben wollen. Bei dieser Operation ist nur ein ganz kleines Stück Fleisch zwischen den Schenkeln entfernt worden. Das hat dort nicht bleiben dürfen, weil es mich sonst unrein machen würde - und weil sich mein zukünftiger Ehemann vor mir ekeln würde ...'
    'Was?' entfuhr's mir da, und gleichzeitig entfuhr mir ein kurzes, halb unterdrücktes Lachen. 'Vor dir ekeln?'
    Als Antwort schenkte sie mir nur ein unendlich süßes und zugleich unendlich trauriges Lächeln und fuhr dann fort: 'Ja, und darum war ich, sobald ich mich von der Operation vollständig erholt hatte, eigentlich ganz glücklich und zufrieden. Ich hatte das Gefühl, von etwas Schlechtem befreit worden zu sein - und nun war ich geläutert und rein und gehörte außerdem dazu und konnte als Gleichberechtigte mitreden. Erst viel später, als mein Bruder wieder anfing ... du weißt schon, was ich meine ..., da wurde mir zu meiner Überraschung und meinem nicht geringen Entsetzen bewußt, daß ... daß ich nichts mehr spürte, daß ich keinerlei Lustgefühle mehr hatte ...'
    'Auch nicht mehr beim eigenen Herumspielen zwischen den Beinen?' warf ich etwas vorlaut, muß ich zugeben, ein. Myriam warf mir einen langen, eigenartigen Blick zu, der wahrscheinlich heißen sollte: Na, das ist mir aber eine indiskrete Frage! und sagte dann ganz ruhig: 'Nein, auch nicht mehr beim eigenen Herumspielen zwischen den Beinen. Allerdings entdeckte ich das erst viel später. Ich habe mich noch lange nicht getraut, mich dort selbst zu berühren.'
    'Aus Angst vor den Schmerzen?'
    'Ja, wahrscheinlich.'
    'Und was dir damals so brutal weggeschnitten wurde, das war also offenbar die sogenannte Klitoris, oder ...?'
    'Ja, so heißt das, glaube ich, im Deutschen.'
    'Und drum hast du all die Jahre geglaubt, du seist frigid?'
    'Ich war doch frigid!'
    'Offenbar doch nicht. Du siehst ja ...'
    'Ja, bei dir ...!'
    'O nein, sicher nicht nur bei mir.' Und im folgenden erteilte ich meiner lieben Myriam wieder eine kleine Gratislektion Aufklärungsunterricht und versuchte ihr den Unterschied zwischen klitoralem und vaginalem Orgasmus zu erklären und ihr außerdem klarzumachen, wie sehr sie eigentlich vom Glück begünstigt sei; denn zu einem vaginalen Orgasmus seien nach meinen bescheidenen Erfahrungen bei weitem nicht alle Frauen imstande, vermutlich sogar nur ein recht kleiner Prozentsatz, denn ansonsten wäre ja diese unmenschliche Prozedur der Beschneidung der Mädchen ziemlich sinnlos; ihr einziger Sinn scheine ja darin zu liegen, die Frauen künstlich frigid zu machen,

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