Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
Vom Netzwerk:
sonst nicht rührte, geschweige denn einen Ton von sich gab, da tippte ich ihr vorsichtig auf die Schulter und sagte: 'Alles in Ordnung?' Fast zur selben Zeit hörte ich Myriam mit aufgeregter Stimme rufen: 'Siehst du etwas, Lydia?'
    Und nun kam wieder Leben in sie, und sie begann wieder zu atmen und wandte sich langsam um, und da erkannte ich, daß sie ein total verklärtes Gesicht machte. Und sie blickte mit glänzenden Augen erst auf mich und dann auf Myriam, oder vielmehr: sie tat nur so, als ob sie erst auf mich und dann auf Myriam blicken würde, und blickte in Wahrheit nach innen. Und schließlich flüsterte sie: 'Ja, wunderbare Dinge!'
    'Wunderbare Dinge?' wiederholte ich verständnislos und drängte mich vor das Loch - ich kniete ja immer noch mehr oder weniger genau davor - und verdrängte faktisch die Lydia und hielt meine Augen dicht ans Loch und tastete mit der einen Hand nach einer Taschenlampe und fand eine und ergriff sie und hielt sie ebenfalls dicht ans Loch, so daß ihr Licht durch selbiges durch- und in das Kohlpechrabenschwarze dahinter hineinfiel. Nun, im ersten Moment konnte ich gar nichts sehen, da war wirklich alles kohlpechrabenschwarz; aber im nächsten Moment ging's mir wie meiner Lydia, und ich mußte nach Luft schnappen, und mir stockte der Atem. Denn jetzt sah ich's auf einmal golden blitzen; und je länger ich schaute, umso mehr Details konnte ich erkennen, und ich sah Gegenstände aus Gold und aus Silber und aus Elfenbein und aus Bronze und aus glänzendem Holz und aus Edelsteinen, die in den unterschiedlichsten Farben leuchteten. 'Ja, wirklich!' murmelte ich, während ich in die Betrachtung dieser wahrhaft übernatürlichen Erscheinung vertieft war. 'Wunderbare Dinge!'
    'Was für wunderbare Dinge?' hörte ich eine Stimme wie aus weiter Ferne oder vielmehr, wie wenn man selber unter Wasser ist, und eine Stimme dringt von außerhalb des Wassers an meine Ohren. Und mit der Zeit erreichte die Stimme mein Bewußtsein, und ich wandte meinen Blick von dieser übernatürlichen Erscheinung ab und drehte mich langsam um und erkannte, daß Myriam dicht hinter mir stand und sich über mich gebeugt hatte und ein über die Maßen neugieriges Gesicht machte. 'Ha - wunderbare Dinge!' keuchte ich, als ob das eine befriedigende Antwort auf ihre Frage wäre, und stand immer noch völlig unter dem Eindruck des eben Gesehenen, räumte aber trotzdem bereitwillig den Platz vor dem Loch und setzte mich wieder auf meine Fersen. Sofort ließ sich Myriam auf die Knie nieder, hielt ihre Augen ans Loch und gab sich nun derselben Peep-Show hin und zeigte dabei exakt dieselben Symptome wie zuvor schon Lydia und ich, abgesehen davon, daß sie nicht 'Wunderbare Dinge!' keuchte, sondern irgendwas Arabisches von sich gab, was ich naturgemäß nicht verstehen konnte - auch wenn ich nicht unter Schock gestanden wäre.
    Sobald sich Myriam von diesem Anblick gelöst und sich wieder Lydia und mir zugewandt hatte, veranstalteten wir eine kleine Konferenz ohne Worte, das heißt, starrten uns eine Zeitlang gegenseitig wortlos an, und fielen dann auf einmal wie auf Kommando über den Sandberg her. Ich begann wieder wie eine Maschine zu schaufeln, und meine zwei Süßen - stellt euch vor! - nahmen in Ermangelung eines zweiten und dritten Silberlöffels ihre eigenen Finger zu Hilfe und stießen diese mit Todesverachtung in den Sand - auch Myriam, deren Abschürfungen an den Handflächen noch keineswegs verheilt waren -, packten ihn mit den bloßen Händen und schleuderten ihn weit von sich; und als ich erkannte, daß sie Ernst machten und dabei sogar einigen Erfolg hatten - wahrscheinlich taten sie sich mit ihren langen Fingernägeln auch wesentlich leichter, als ich mich an ihrer Stelle getan hätte -, da unterstützte ich sie in ihren Bemühungen, indem ich an den Stellen, wo sie gerade gruben, den Sand jeweils mit meinem inzwischen leider eingedepschten Silberlöffel auflockerte.
    Viele Stunden ging das jetzt so, ohne daß auch nur ein Wort gesprochen worden wäre. Hingebungsvoll schufteten wir, und keiner zeigte irgendwelche Ermüdungserscheinungen, und keiner klagte über Hunger oder Durst, und ich verspürte die längste Zeit nicht einmal ein Hungergefühl. Durst bekam ich allmählich zwar schon, und meine Süßen vermutlich auch, aber keiner nahm sich die Zeit, in unsere Ferienwohnung zu wandern, um dort den Durst zu löschen, und mitgenommen hatten wir nichts; wie hätten wir das auch ahnen sollen? Das einzige, wofür

Weitere Kostenlose Bücher