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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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nicht einfach wie in einem Museum herumspazieren konnten. Es handelte sich nämlich nur auf den ersten Blick um ein Museum. In Wirklichkeit war's eine Rumpelkammer, aber eine Rumpelkammer, vollgestopft mit Kostbarkeiten aller Art, und bei jedem Schritt riskierte man die Zerstörung oder zumindest Beschädigung unersetzlicher Schätze. Ich kann gar nicht aufzählen, was sich da alles unseren staunenden Augen darbot! Es gab einfach alles, was ein gestopfter Ägypter - pardon: ein wohlhabender Ägypter - nach seinem Tod brauchen konnte, von großen Statuen und Vasen bis zu Möbeln aller Art. Und besonders zahlreich schienen uns die zum Teil vergoldeten und mit Intarsien aus bunt leuchtenden Edelsteinen verzierten Truhen zu sein - so dachte ich jedenfalls, und Lydia auch; aber Myriam belehrte uns, daß die vermeintlichen Edelsteine in Wirklichkeit wahrscheinlich aus Glasfluß bestehen. Neben einem besonders schönen und großen Exemplar standen wir übrigens gerade; und wißt ihr, was auf dem Deckel lag? Als ich es sah, wurde mir heiß und kalt gleichzeitig: einträchtig nebeneinander lagen auf dem Truhendeckel eine richtige Trompete und eine Art Lyra. Na, da bekam ich gleich direkt Lust, auf ihnen aufzuspielen und endlich wieder einmal Musik zu hören!
    Der Saal selber war nicht allzu groß, aber groß genug, um in der Mitte zwei viereckige Pfeiler zu haben. Sarg oder sowas Ähnliches war, jedenfalls von unserem Standpunkt aus, nicht auszumachen, aber andererseits war dieser eine Saal sicher nicht das ganze Grab. Das schlossen wir erstens aus der reichen Erfahrung mit altägytischen Grabanlagen, die wir uns in der Zwischenzeit hatten aneignen dürfen, nicht wahr, und zweitens entdeckte ich in der Wand links von uns eine Türöffnung. Und als ich die entdeckte, war ich durch nichts mehr zurückzuhalten: ich setzte mich über sämtliche archäologischen und sonstigen Skrupel hinweg, rief 'Eine Tür!' und stapfte, natürlich mit der allergrößten Vorsicht, los. Eine Tür! Eine Tür konnte immer ins Freie hinausführen, nicht wahr, oder zumindest auf einen Gang, der ins Freie hinausführt, und wir durften uns selbstverständlich auch nicht die allergeringste Chance entgehen lassen. Eine Tür! Ich war total aus dem Häuschen! Und ich schaffte es tatsächlich, ohne besondere Schäden anzurichten, besagte Tür zu erreichen, wenn auch nur auf größeren Umwegen. Und dann -die Enttäuschung! Die vermeintliche Tür ins Freie erwies sich bei genauerem Hinsehen als solide Steinmauer, genau wie der mutmaßliche ursprüngliche Eingang der Hotelsuite, nur eben mit dem Unterschied, daß diese Mauer vor mir in etwa die Umrisse und Profile einer Doppeltür nachahmte. Jedenfalls war die Türöffnung von oben bis unten vollkommen zugemauert. Ich klopfte sie ab, soweit ich hinauflangte - nein, da war nichts zu machen!
    Ich warf meinen zwei Süßen einen leicht verzweifelten Blick zu, stimmte ein kurzes Klagelied an und machte mich gesenkten Hauptes wieder auf den Rückweg. Und dabei stellte sich heraus, daß die Tür in gewisser Hinsicht doch ein Segen war. Denn ratet einmal, was ich jetzt auf dem Rückweg entdeckte! Eine offene Holzkiste. Und was lag in dieser offenen Holzkiste drin und wartete auf den allfälligen Gebrauch durch den Inhaber oder die Inhaberin des Grabes? Ein ganzes Sortiment an Werkzeugen: Messer, Sicheln, Nadeln, Ahlen, Meißel, Hammer, Sägen, Beile, Hauen und was weiß ich noch alles! Ich blieb wie angewurzelt stehen und starrte die längste Zeit in diese Kiste hinein, so daß meine Lydia schon besorgt oder ungeduldig oder auch einfach nur neugierig wurde und herüberrief, was ich denn da Spannendes gefunden habe. 'Ja, wirklich Spannendes!' rief ich zurück und überlegte mir gleichzeitig, welches von diesen Werkzeugen ich heute am besten hätte gebrauchen können. Ein Messer? Einen Meißel? Ein Beil? Eine Haue? Ich mußte mir zugestehen, daß jedes einzelne von diesen Geräten heute eine ungeheure Erleichterung unserer Arbeit bedeutet hätte. Und dann mußte ich daran denken, daß sie ja noch gar nicht richtig beendet war; der Sandberg war noch nicht vollständig abgetragen. Ob uns der Inhaber des Grabes von diesem Vorrat für kurze Zeit was leihen würde? Was wären ein paar Stunden oder meinetwegen Tage im Vergleich zu den Jahrtausenden, die diese Dinge hier schon gelegen waren? Nur: heute bitte nicht mehr! Wie ich jetzt nämlich wieder ans Arbeiten dachte, da schauderte mich, und ich merkte, wie wieder die ganze

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