Geliebte Myriam, geliebte Lydia
naja, ein bißchen natürlich schon, und am ehesten noch Myriam, die Lydia und mir zu zeigen versuchte, wo sie daheim war.
Ja, so landeten wir also in Kairo. ... Aber hier ist es vielleicht gerade angebracht, für heute einen Schlußpunkt zu setzen - einverstanden? Außerdem muß ich mich heute noch ein wenig um meinen Filius kümmern.“
„Ja, wenn das so ist“, mault die Henne, „dann müssen wir dich natürlich wohl oder übel dispensieren.“ Und Johnny brummt: „Na, deine ägyptischen Ferien, wie du sie nennst, die waren damit ja vermutlich zu Ende, oder täusche ich mich da?“
„O nein“, versichert Giggerle, „du täuschst dich nicht: meine ägyptische Ferien waren mit diesem Flug von Luxor nach Kairo praktisch zu Ende.“
„Na fein, da werde ich wenigstens wieder einmal ordentlich schlafen können!“ brummt Johnny weiter. „Jawohl, ich glaube, da können wir dich für den Rest des heutigen Tages dispensieren!“
„Zu gütig!“ scherzt Giggerle und erhebt sich. „Also dann bis morgen! Morgen ist dann der letzte Tag.“
Freitag, 7. Juni 1996
1. Teil
Ich sei, gewährt mir die Bitte,
in eurem Bunde der dritte!
(SCHILLER)
Ja, dies ist also der letzte Tag von Giggerles Erzählungen. Doch heute erzählt er nicht mehr im Haus oder Garten seiner Eltern in Melk und auch nicht im Melker Stiftspark. Sondern unsere drei Freunde haben sich in aller Herrgottsfrüh verabschiedet und sich für Speis und Trank sowie für alle sonstige Bewirtung und Betreuung, deren sie in diesen Tagen teilhaftig geworden sind, herzlich bedankt und sind anschließend nach St. Pölten gefahren. Dort wohnt Giggerle ja neuerdings in einem hübschen Häuschen mit einem ebenso hübschen Garten zusammen mit seiner Freundin oder Lebensgefährtin, oder wie man da sagt. Diese befindet sich allerdings zur Zeit, nämlich seit dem 1. Juni, auf einem Fortbildungsseminar, und das ist auch der Grund, warum Giggerle und seine zwei Zuhörer so lange in Melk geblieben sind. Heute soll sie jedoch wieder heimkommen, und darum sind unsere drei Freunde eben gleich in der Früh nach St. Pölten gefahren. Und sobald die obligate Führung durch Haus und Garten absolviert ist, richten sie sich in Anbetracht des heute recht angenehmen Wetters auf der Gartenterrasse häuslich ein, und Johnny und die Henne blicken Giggerle erwartungsvoll an, und da beginnt dieser, herzlich lachend:
„Na, ihr seid süß, wie ihr da sitzt und mich mit großen, erwartungsvollen Augen anschaut! ... Wo waren wir gestern abend stehengeblieben? Ach ja, bei unserer Landung in Kairo. Ja, und damit kann ich mich von nun an eigentlich kurz fassen. Das hab' ich gestern zwar auch schon einmal angekündigt, mich aber dann sträflicherweise nicht daran gehalten. Heute hab' ich mir aber wirklich vorgenommen, mich kurz oder zumindest kürzer zu fassen. Meine ägyptischen Ferien sind, wie Johnny schon gestern abend erkannt hat, zu Ende, oder sagen wir genauer: gehen ihrem Ende zu.
Also noch einmal: wir landeten in Kairo, nahmen uns ein Taxi und fuhren zu Myriams Wohnung. Vorher hatte Myriam vom Flughafen aus noch ihren Vater angerufen und ihm unser Kommen zu so später Stunde angekündigt. Jetzt waren wir übrigens heilfroh, daß uns Ruschdi den Flug bezahlt hatte und daß nicht meine gesamte Provision dafür aufgegangen war, falls sich's überhaupt ausgegangen wäre; ansonsten wären wir jetzt schön dagestanden - mitten in der Nacht ohne einen Piaster am Flughafen, weit außerhalb der Riesenstadt.
Myriam wohnte im vierten Stock einer grauen Mietskaserne. Es war fast Mitternacht, als wir ankamen. Ihr Vater wartete schon vor der Haustür auf uns, umarmte und küßte Myriam zur Begrüßung und hieß Lydia und mich, nachdem er sich über Lydias Kopfverband im ersten Moment sichtlich geschreckt hatte, überaus herzlich willkommen. Er war ein äußerst liebenswürdiger älterer Herr; jedenfalls wirkte er auf mich auf den ersten Blick ausgesprochen sympathisch. Trotz seiner Jahre war immer noch beachtlich schlank; er hatte ähnlich wie Myriam ein fein geschnittenes Pharaonenprofil, leicht angegraute Schläfen, die unsere Lydia höchst attraktiv fand, einen außerordentlich intellektuell wirkenden doppelten Ansatz zu einer Glatze, und was ich selber ganz faszinierend fand: herrliche weiße Zähne, die mit seiner braunen Haut wirklich toll kontrastierten. Er servierte uns einen kleinen Imbiß und ließ sich von uns beziehungsweise von Myriam gleich einen möglichst ausführlichen
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