Geliebte Myriam, geliebte Lydia
ja schon, das heißt, er erkannte sie wieder, vor allem Lydia an ihrem Kopfverband. Er hatte nämlich, so berichtete er uns treuherzig, am Vortag im Fernsehen das Interview mit ihnen gesehen.
Anschließend setzten wir unsere Wanderungen durch Kairo fort und besuchten als nächstes Mister Mohammed in seinem Büro, und Myriam meldete sich bei ihm sozusagen wieder zurück. Auch er überschlug sich förmlich vor Freundlichkeit und bestand darauf, Myriam nicht nur für die Tage, die sie unsere Reisegruppe tatsächlich geführt hatte, sondern auch für die Tage ihrer Gefangenschaft und Krankheit, also effektiv für vierzehn Tage, ein Honorar zu bezahlen. Na gut, übertrieben viel war's eh nicht, was sie da bekam, aber eine kleine Aufbesserung unserer gemeinsamen Kassa war's allemal - frei nach dem Motto: viel ist's nicht, aber was ist's auch. Beachtet übrigens, daß ich soeben von unserer gemeinsamen Kassa gesprochen habe. Es war wirklich so: wir fühlten uns inzwischen wie eine Familie, meine zwei Süßen und ich, und bildeten folglich automatisch, ohne uns das irgendwie abgesprochen zu haben oder so, das, was man so anschaulich Gütergemeinschaft nennt.
Was noch? Ach ja, Mister Mohammed dachte ganz von selber daran, daß Lydia und ich naturgemäß ein Problem mit dem Heimflug hatten, denn der Flug, für den unsere Tickets ausgestellt waren, war ja schon vor mehr als einer Woche gegangen, und er machte sich erbötig, für uns einen Ersatztermin ausfindig zu machen, und wir mögen ihm unsere Flugtickets dalassen, damit er sie für uns umbuchen könne; er werde sich zu gegebener Zeit telefonisch bei uns melden und uns den Erfolg seiner Aktion mitteilen.
Er hielt Wort und rief bereits am folgenden Tag, also am Dienstag, an, es sei ihm gelungen, uns für einen Flug am darauffolgenden Donnerstag umzubuchen, und wir mögen in sein Büro kommen und die Ersatztickets abholen. Also nahmen wir unsere Wanderungen durch Kairo wieder auf und besuchten Mister Mohammed noch einmal und übernahmen die alten und die neuen Tickets. Und weil wir schon in der Nähe waren und außerdem nicht mehr direkt am Hungertuch nagten, nicht wahr, besuchten wir auch gleich das Ägyptische Museum noch einmal und sahen viele Dinge dort naturgemäß jetzt mit ganz anderen Augen - ich jedenfalls. Und überhaupt nutzten wir die uns nun noch verbleibende Zeit, ich meine: Lydia und ich, uns von Myriam noch einige Zuckerln in Kairo zeigen zu lassen. Zum Beispiel besichtigten wir jetzt endlich die altberühmte Al-Ashar-Moschee, die uns seinerzeit Freund Salam unnötigerweise vorenthalten hatte - jawohl: unnötigerweise; denn wir waren unmittelbar vor ihr gestanden, wir hätten damals Zeit genug gehabt, und es hätte nicht einmal Eintritt gekostet.
So verbrachten wir also die letzten gemeinsamen Tage unserer ägyptischen Ferien, wenn ich sie noch immer so nennen darf. Und es kam der Tag, an dem sich unser bisheriges 'Wir' aufspaltete in Myriam einerseits und Lydia und mich andererseits, mit anderen Worten: der Tag des Abschieds, der Tag des Endes unserer ägyptischen Ferien. Es war, wie schon erwähnt, Donnerstag, der 2. März. Für die Ägypter, oder zumindest für die Moslems unter den Ägyptern, war das übrigens ein hoher Feiertag, ich glaube, sogar der höchste oder zumindest der freudigste Feiertag überhaupt, insofern entsprechend unserem Weihnachtsfest. Gefeiert wird damit das Ende des Fastenmonats Ramadan, und in dieser Hinsicht entspricht er natürlich eher dem christlichen Osterfest. Und so wie es bei uns eine Weihnachtsamnestie gibt, gibt's in Ägypten angeblich den Brauch einer Amnestie anläßlich dieses Feiertags oder genauer dieses Festes; es dauert nämlich - laut Myriam - nicht weniger als drei Tage. Und an diesem Tag stand - ebenfalls laut Myriam - in der Zeitung zu lesen, daß zum Ende des Ramadans mehr als 2000 unter dem Verdacht des Fundamentalismus festgenommene Ägypter freigelassen worden seien.
Für die Moslems war's also ein Freudentag. Für uns - und damit sind zum allerletzten Mal Myriam, Lydia und ich zusammen gemeint - für uns war's ein echter Trauertag. Schon in der Früh herrschte eine eher gedrückte Stimmung; auf der langen Fahrt zum Flughafen wurde unentwegt Trübsal geblasen; und am Flughafen selber - da ging dann bei meinen zwei Süßen endgültig das Häferl über, und sie schluchzten sich gegenseitig und mir was vor, daß es einen Stein hätte erweichen können; und ich muß sagen, ich hatte auch selber enorm mit den
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