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Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Geliebte Myriam, geliebte Lydia

Titel: Geliebte Myriam, geliebte Lydia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Plepelits
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bevor er mit ihr schlief, war er bei einer Prostituierten gewesen. Und bei der war vor ihm ein Schwarzer gewesen.'
    'Ach so! Na, das ist allerdings eine überraschende Aufklärung!' Ich spielte diesen Fall in Gedanken noch einmal durch und sagte dann: 'Und du meinst also, Myriams Göttergatte sei kurz, bevor er mit ihr geschlafen habe, bei einer Hure gewesen, bei der vorher ein blonder, blauäugiger Europäer gewesen sei? Na, zuzutrauen wär's ihm ja!'
    'Nein, nein, so meine ich das nicht. Das sollte bloß ein Beispiel dafür sein, wie wenig Verlaß oft auf Indizien ist.'
    'Aha ... Meinst du das vielleicht so, daß sich da jetzt plötzlich irgendwelche in ferner Vergangenheit eingedrungenen und bis jetzt latent gebliebenen Gene ausgewirkt haben?'
    'Hm? Wie meinst du das?'
    'Naja, es könnte ja zum Beispiel ein in der Römerzeit nach Ägypten eingewanderter Kelte oder Germane zu den Vorfahren von Myriams Baby zählen. Schließlich gehörten damals Ägypten und unsere Gegenden demselben Staatswesen an.'
    'Ach, an sowas Kompliziertes hab' ich gar nicht gedacht! Das ist doch viel zu weit hergeholt!'
    'Findest du?'
    'Na sicher! Jedenfalls ist es nicht das, was ich gemeint habe.'
    'Und was hast du gemeint?'
    'Hm - wie soll ich dir das klarmachen? Naja, du hast ja gehört, daß die kleine Fatima eine Frühgeburt gewesen ist, nicht?'
    'Ach ja, ich erinnere mich. Myriams Papa hat das erzählt. Schon gestern abend - stimmt's?'
    'Na eben. Nun - angenommen, sie wäre gar keine Frühgeburt gewesen?'
    'Keine Frühgeburt? Die kleine Fatima? Wieso? Ich dachte, ein Neugeborenes ist entweder eine Frühgeburt oder keine Frühgeburt? Wie kann's da einen Zweifel geben?'
    'Gibt's ja auch nicht - objektiverweise. Aber Hand aufs Herz: könntest du eine Frühgeburt von einem normalen Neugeborenen unterscheiden?'
    'N-nein, wahrscheinlich nicht. Ich bin da ja auch nicht vom Fach.'
    'Na eben. Andere sind auch nicht vom Fach. Könnte man denen nicht, wenn man geschickt genug ist, erzählen, daß ein Baby, auch wenn's zum normalen Termin geboren worden ist, eine Frühgeburt ist?'
    'Also einen Bären aufbinden?'
    'Sozusagen. Als Notlüge.'
    'Und du meinst, unsere Myriam ... Wie kommst du eigentlich auf die Idee?'
    'Naja, weißt du, Frühgeburt gleich nach der Hochzeit - wenn ich sowas höre, werd' ich immer gleich mißtrauisch; das geht bei mir irgendwie automatisch. Also: die Geburt war am ...' Und sie richtete sich auf und schaute mich fragend an, und ich sollte offenbar die richtige Antwort einsetzen. Naja, sie kann halt die Lehrerin nicht ganz verleugnen.
    '... am 16. November, wenn ich mich richtig erinnere', antwortete ich pflichtschuldigst.
    'Richtig. Und die Hochzeit war am ...'
    '... 5. Mai, oder?'
    'Doch, doch, am 5. Mai. Und wieviele Monate sind da dazwischen?'
    'Hm ... 6 Monate ... und 11 Tage, also knapp sechseinhalb Monate ... falls sie nicht schon vor der Hochzeit ...'
    'Ja, ja. Und jetzt nehmen wir einmal an, es wäre gar keine Frühgeburt gewesen! Wann muß dann die Empfängnis stattgefunden haben?'
    'Naja, das ist einfach: 16. November minus neun Monate. 11 minus 9 sind 2. Also zirka am 16. Februar.'
    'Na? Fällt dir da gar nichts auf?'
    'Was soll mir denn da auffallen, außer daß das lang vor ihrer Eheschließung gewesen ist?'
    'Ja, ja! Und sonst fällt dir da nichts auf? Wo hat sich denn unsere Myriam voriges Jahr rund um den 16. Februar herumgetrieben - und mit wem, ha?'
    'Voriges Jahr rund um den 16. Februar?' Und jetzt erst fiel bei mir der Groschen. 'Aber das war doch gerade die Zeit unserer ägyptischen Ferien!'
    'Na eben! Mit uns hat sie sich damals herumgetrieben, nicht wahr? Und würdest du's unter Umständen für denkbar halten, daß bei ihr schon damals eine Empfängnis eingetreten ist?'
    '... eine Empfängnis eingetreten ist?' wiederholte ich mechanisch und spürte, wie mir irgendwas die Kehle zuschnürte und wie ich gleichzeitig fürchterliches Herzklopfen bekam, so daß ich die längste Zeit weder einen vernünftigen Gedanken fassen konnte noch ein Wort herausbrachte. Wie hätte ich da in der Lage sein sollen, irgendwas für denkbar zu halten? Es war wie bei einer Kreuzfahrt über die Weltmeere: erst fühlt man sich auf dem Luxusdampfer in völliger Sicherheit, aber dann stößt dieser unversehens mit einem Eisberg zusammen und sinkt, und ich kämpfe jetzt mit den Elementen und kriege immer mehr Wasser in die Kehle und fühle, wie mir der Atem wegbleibt und die Kräfte schwinden. Doch dann entdecke ich zum Glück

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