Geliebte Nanny
nicht Sie oder Ihre Schwester oder Ihren Schwager oder sonst wen. Oder es ist ein Einbrecher, der sich vorher alles genau anschauen will, bevor er einbricht!«
»Das dachte ich zuerst auch«, lenkt David ein. »Deswegen habe ich ihn zur Rede gestellt und gefragt, warum er die ganze Zeit vor unserem Tor herumschleicht.«
Ich starre ihn gebannt an.
»Und...?« Vor Angst, was nun folgt, werden meine Augen immer größer.
»Er sagte, er sucht nach einer Nanny namens Mel.« David sieht mich emphatisch an. »Ich wollte natürlich wissen, wer das ist und fragte ihn, in welcher Angelegenheit er zu Ihnen wolle.«
»Und...?«, bringe gerade noch hörbar hervor.
»Der Typ ist einfach abgehauen, ohne mir eine Antwort zu geben. Ich glaube er hat Schiss bekommen.«
Das war ja klar, typisch Sören, denke ich voller Erleichterung.
»Können Sie mir jetzt sagen, wer Sie verfolgt?«
»Hmm, das war bestimmt mein Bruder Serdal..., könnte aber auch Mehmet gewesen sein!« Okay, Sören sieht eigentlich eher aus wie Bastian Schweinsteiger nach einem zweiwöchigen Daueraufenthalt im Solarium, als nach Serdal oder Mehmet, aber allein sein aufgemotzter Macho - BMW lässt die Sache doch irgendwie glaubhaft erscheinen.
Langsam aber sicher mutiere ich zu Scheherazade , der Geschichtenerzählerin aus 1000 und eine Nacht. Ich glaube, ich habe mittlerweile mindestens tausend und eine Lügengeschichte erzählt.
»Aha. Familie also?«, vergewissert sich David.
»Ganz genau. Sie kennen doch sicher diese ganzen Geschichten mit der Ehre und so. Ich sagte ja schon, dass mein Vater und meine Brüder eine sehr archaische Einstellung besitzen und ständig kontrollieren was ich so treibe.« Ich finde, ich klinge überzeugend.
»Was Sie so treiben?«, nuschelt er.
»Tja, wenn ich an vergangene Nacht denke«, bemerke ich scherzhaft. »Gut, dass es bis jetzt noch kein Familienmitglied bis zu meiner Balkontür geschafft hat, sonst wären Sie jetzt sicher nicht hier, sondern im Krankenhaus.«
David sieht mich verschreckt an. »Ist das Ihr Ernst? D...das mit gestern t…tut mir echt leid...«, stammelt er.
Ich muss lachen.
»Schon gut«, beruhige ich ihn. »Apropos Krankenhaus. Gute Nachrichten, David. Gerald kommt morgen nach Hause!«
Jetzt lächelt auch er.
»Ich habe mit Arndt und Claudia wegen Gerald telefoniert«, berichtet er eifrig und zieht sich einen Stuhl heran, auf den er sich plumpsen lässt.
»Und wie haben die beiden reagiert?«, will ich wissen.
»Arndt war geschockt und außer sich. Ich vermute, er wird meiner Schwester nicht verzeihen, dass sie die Kinder wegen ihrer dummen Eifersucht allein gelassen hat und bei Gerald eine Lungenentzündung riskiert hat. Er war heilfroh, dass du unmittelbar gehandelt hast, um Schlimmeres zu verhindern. Arndt dankt dir von ganzem Herzen, Melek, und ich soll dir von ihm sagen: ›Du bist ein Engel!‹«
Er sieht mich ganz komisch an.
Seit wann duzt er mich überhaupt?
Ich laufe unwillkürlich rot an. Verlegen fixiere ich meine Schuhe.
»Deine Eltern haben dir den passenden Namen gegeben.«
Ich hebe den Kopf und starre voller Verblüffung in sein Gesicht.
Was meint er damit?
Während ich immer noch das Gesagte von eben zu interpretieren versuche, fährt er mit seinem Dialog fort. Ich höre David zwar eindeutig reden, kann seinen Worten aber partout keine Bedeutung beimessen. Augenblicklich wird mir klar, dass es sich gar nicht um Deutsch handelt, sondern um TÜRKISCH! Meine Pulsfrequenz steigt in ungesunde Höhen.
Ach du Scheiße. Er kann Türkisch? Wie und warum denn das auf einmal?
Davids erwartungsvoller Blick haftet auf mir, nachdem er seinen unerwarteten Türkisch - Erguss beendet hat. Vor lauter Verblüffung kriege ich meinen Mund nicht mehr zu. Was soll ich bloß antworten? Ich habe rein gar nichts verstanden. Doch auf meine außerordentliche Reaktionsfähigkeit ist wie immer Verlass.
»Häh? Was hast du gesagt? Der Dialekt, den du da sprichst, ist ja wirklich fies!«, bemerke ich kurzerhand und blicke ihn dabei scheinheilig an.
Etwas verdattert schaut er zurück und will gerade beginnen, das Gesagte zu wiederholen, doch ich falle ihm hastig ins Wort: »Besser du sagst mir auf Deutsch, was du sagen willst. Mit diesem fürchterlichen Dialekt habe ich echt Schwierigkeiten. Der ist ja noch unverständlicher als schwäbisch oder niederbayrisch. Wer zum Geier hat dir das bloß beigebracht?« Ich setze ein verzerrtes Lächeln auf.
David wirkt
Weitere Kostenlose Bücher