Geliebte Nanny
schwierig ist, ein Kopftuch tragendes Kindermädchen zu sein. Die Leute lassen sich viel zu sehr von Vorurteilen leiten. Und scheinbar zählt allein das Äußerliche. Und weißt du, was das Schlimmste daran ist, Yasi –dass es fast unmöglich ist, dagegen anzukommen.«
»Dachtest du, ich wüsste das nicht?« Sie wirft mir einen kurzen finsteren Blick zu. »Warum bin ich wohl so geworden, wie ich bin?«
»Um dir diese unwürdige Behandlung von uns zu ersparen, nehme ich an.«
»Ganz genau. Ich habe mich äußerlich angepasst und innerlich auch! Ich habe euch auf peinlichste Art und Weise kopiert und imitiert, habe die gleichen schnulzigen Sprüche ins Poesiealbum geschrieben wie ihr, den Flötenunterricht bei der ollen Sauerbeck geschwänzt und für Jan - Oliver aus der Parallelklasse geschwärmt, obwohl der eine totale Hohlbirne war. Und das alles nur , weil ich dazugehören wollte. Zu euch. Tja, und jetzt bin ich eben manchmal ein bisschen anstößig, esse mit Vorliebe paniertes Schinkenschnitzel mit Pommes und Salat, trage schamlos kurze Röcke und habe ab und an hemmungslosen Sex, ohne mit demjenigen verheiratet zu sein. Na und? Das Leben ist kurz.«
»Vielleicht war das ein Fehler«, murmle ich.
Sie wirft mir einen verwirrten Seitenblick zu.
»Häh? Was meinst du damit?«
»Ich will damit sagen, dass du dich einfach hast hin und her biegen lassen, so wie man es von dir verlangt hat. Du bist gar nicht du selbst und niemand weiß, wer du wirklich bist, weil du so geworden bist, wie unsere Gesellschaft es erwartet.«
Yasi ist immer noch verwirrt. Doch dann leuchtet ihr allmählich ein, was ich damit meine.
»Du meinst, ich bin zu Deutsch geworden, obwohl ich eigentlich mein türkisches Wesen hätte besser bewahren sollen?«
»Genau!«
»Jetzt ist es sowieso zu spät, Mel.«
»Es ist nie zu spät, Yasi«, versuche ich sie zu ermutigen. »Du kannst zu deinen Wurzeln zurückfinden, und ich wüsste auch schon genau, womit du anfängst.«
»Aha, und womit?«
»Indem du mit mir zusammen in die kulinarische Welt der türkischen Kochkunst eintauchst. Ich brauche nämlich dringend ein paar eurer einheimischen Rezepte. Arndt hat mich dazu genötigt, seiner Familie in absehbarer Zeit ein original türkisches Menü auf den Tisch zu zaubern.«
Auf ihren erstaunten Gesichtsausdruck hin, erzähle ich Yasi die ganze irrsinnige Geschichte mit dem Fleischwurstbrötchen und wie es dazu kam.
Yasi fängt an zu glucksen: »Und du bietest ihnen tatsächlich deine Pseudo - Fähigkeiten, deiner absoluten Antileidenschaft – dem Kochen – an!?« Ich merke, dass sie Mühe hat, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. »Und dann auch noch Türkisch! Also ehrlich Melissa, Respekt.«
Ich verziehe meinen Mund zu einem Schmollen. Okay, sie hat ja Recht. Ich bin weiß Gott kein Naturtalent, was die risikolose Handhabung von Küchengeräten jedweder Art anbelangt. Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Früher habe ich es nicht mal fertig gebracht, Sören ein Spiegelei zum Frühstück zu servieren, ohne dass er mit dem Feuerlöscher neben dem Herd stand. Und nun habe ich mich angeboten, für eine ganze Familie was Türkisches zu kochen. Ich muss nicht mehr ganz dicht sein.
***
Mein erstes Wochenende zu Hause entpuppt sich als wenig entspannend, denn am Samstagmorgen (früh um acht) steht meine Mutter unerwartet auf der Matte. Sie quatscht ohne Punkt und Komma auf mich ein. Am liebsten würde ich ihr die Tür wieder vor der Nase zuknallen. Seit zwei Wochen warte sie nun schon auf ein Lebenszeichen von mir. Und ob ich nicht wenigstens einmal hätte anrufen können. Mütter! Sie besitzt doch schließlich auch ein Telefon. Warum benutzt sie es nicht einfach, wenn sie Sehnsucht nach mir hat?
»Nun erzähl doch mal und lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Melissa. Wie arbeitet es sich denn so, in einer Millionärsfamilie?«
»Komm doch erstmal rein, Mama«, versuche ich sie zu bändigen und ziehe sie am Ärmel in die Wohnung. Yasi schlurft gerade in ihrem Morgenmantel und einer Tasse Kaffee durch die Diele.
»Morgen, Frau Bogner«, begrüßt sie meine Mutter und verschwindet schnurstracks auf ihr Zimmer. Die Glückliche!
»Ein Tässchen Kaffee wäre jetzt nicht schlecht, Kind. Und dann erzähl endlich...« Sie lässt sich auf’s Sofa plumpsen.
Erst gegen Mittag erhebt sie sich wieder von diesem, nachdem ich ihr haarklein alles über meine Millionärsfamilie, inklusive
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