Geliebte Nanny
Freundeskreis und Personal erzählt habe. Dabei habe ich selbstverständlich mit keinem Wort etwas von Melek Yildiz erwähnt. Und aus David von Degenhausen wurde, in meiner leicht abgewandelten Schilderung, ein unbedeutender Verwandter von Klodia, der für ein paar Tage zu Besuch sei, da er nach seinem Schwulen - Outing, welches leider nicht so verlaufen war wie er sich erhofft hatte, nicht wusste wo er nun unterkommen sollte. Bei dem Wort Verwandter fingen nämlich unmittelbar die Dollarzeichen in den Augen meiner Mutter an zu leuchten. Da musste ich mir ja schnell etwas einfallen lassen, um David als potentiellen Heiratskandidaten möglichst uninteressant zu machen.
Yasi kommt gerade vom China - Mann zurück, als meine Mutter die Wohnung verlassen will. Für einen Moment stockt mir der Atem. Nicht, dass sie es sich anders überlegt, und nun auch noch zum Essen bleiben will. Meine Mutter liebt Chinesisch. Doch nach einem unschlüssigen Blick auf ihre Uhr, bewegt sie sich weiter fort in Richtung Ausgang – dem Himmel sei Dank. Der Tag ist gerettet. Yasi und ich machen es uns mit dem Essen vor dem Fernseher gemütlich.
»Ach übrigens«, sagt Yasi kauend. »Sören stand letzte Woche zwei Mal vor der Tür und hat nach dir gefragt.«
Ich verschlucke mich an einem Stück Brokkoli und muss husten.
»Was wollte er denn?«, japse ich, nachdem der Hustenanfall nachgelassen hat.
»Na, was wohl. Er wollte zu dir. Ganz schön hartnäckig, der Typ!«
Ich stoße ein grimmiges Stöhnen hervor.
»Hab ihm erzählt, du würdest hier nicht mehr wohnen«, fährt Yasi fort. »Da ist er ganz schön aufbrausend geworden und hat gesagt, dass er dich schon noch aufspüren wird. Ich glaube er meint es wirklich ernst. Er hat dich noch nicht ganz aufgegeben.«
»Warum kapiert er es nicht?«, ächze ich. »Er soll mich einfach in Ruhe lassen. Ich will Sören nicht zurück. Jetzt wo David…äh ich meine...« Erschrocken, über meine eigenen Worte, beiße ich mir auf die Unterlippe und kaue unruhig darauf herum.
»Hab ich eben richtig gehört? David?« Mit vorwitzigem Ausdruck im Gesicht beugt Yasi sich in meine Richtung.
»Du stehst also auf den blaublütigen Halbbruder deiner Arbeitgeberin?« Ihr interessierter Blick verlangt eine Antwort. Natürlich kann ich dem nicht standhalten, ohne dass sie merkt, dass ich nervös bin. Ich fixiere eilig das Chopsuey auf meinem Teller, um ihrem fordernden Blick auszuweichen.
»Nein, so meine ich das nicht Yasi«, dementiere ich etwas grantig. »Ich finde David interessant, mehr nicht. Außerdem ist es total lächerlich. Bis gestern hat er mich kaum beachtet und keine drei Worte mit mir gesprochen. Das weißt du doch.«
»Weil David denkt, dass du die Kopftuchträgerin Melek Yildiz bist! Kopftücher wirken nun mal abschreckend auf Männer.«
»Ich bin ja auch Melek Yildiz. Jedenfalls kennt er mich nur als diese und kann offenbar nicht viel mit ihr anfangen!«
»Wärst du Melissa, würde es ganz sicher anders sein«, Yasis Worte klingen bedeutungsvoll.
»Genau das meine ich!«, rufe ich schrill. »Er soll mich gefälligst als Melek mit Kopftuch und allem Drum und Dran mögen. Oder es ganz bleiben lassen. Als Melissa werde ich mich ihm jedenfalls nicht präsentieren! Das wäre zu einfach.«
Yasi sieht mich mit diesem Bei - dir - sind - Hopfen - und - Malz - verloren - Blick an, und widmet sich lieber wieder ihren Frühlingsrollen.
Am Abend fahren Yasi und ich zusammen in den e.Club , wo Yasi mit der Schmalzlocke verabredet ist. Ich trage endlich wieder meinen heiß geliebten Jeansrock, dazu ein sommerliches Top und Plateaupumps. Ich bin wieder Melissa Bogner.
Der Türsteher winkt uns durch. Wir steuern auf einen freien Stehtisch mit guter Aussicht auf die Tanzfläche zu und bestellen was zu Trinken. Die Schmalzlocke ist noch nicht da. Yasi ist so nervös, dass sie sich eine Zigarette anzündet, obwohl in diesem Club Rauchverbot herrscht. Mit der freien Hand hämmert sie auf der Tischplatte herum und lässt ihren ungeduldigen Blick durch die feiernde Masse schweifen. Mit einem Mal schnipst Yasi die Zigarette auf den Boden, zertritt sie hastig und kramt einen Kaugummi aus ihrer Handtasche, den sie sich in den Mund stopft und wie wild drauflos kaut. Jeden Moment renkt sie sich den Kiefer aus! Mit werbestarmäßigem Geschick perfektioniert sie noch schnell ihre frisch gefärbte Lockenpracht. Vor Kurzem ist sie zu ihrem Naturton zurückgekehrt, Schokobraun. Ich ahne
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