Geliebte Nanny
sind sie aber extrem knusprig. Als die drei hineinbeißen, halte ich gespannt den Atem an. Aufmerksam studiere ich ihre Gebisse während sie kauen. Gott sei Dank, alle Zähne sind noch da wo sie hingehören. Und so langsam kommt nun auch das Tischgespräch wieder in Gang.
»Was für ein Zufall, dass Sie Yasemins Cousine sind«, murmelt David in meine Richtung. Ich dachte schon, er würde überhaupt nicht mehr mit mir reden.
»Oh, ja. Wirklich ein eigenartiger Zufall«, gebe ich zurück.
»Kaum zu glauben, dass die beiden aus einer Familie stammen. Yasemin ist ja eher eine moderne, westlich orientierte Türkin. Mit knallharten Karriereabsichten«, mischt Cengiz sich ein. »Und du... äh, scheinst mir eher konservativ eingestellt zu sein, stimmt’s Melek?« Er sieht mich forschend an.
Unwillkürlich schiebe ich mein Kopftuch noch tiefer in die Stirn.
»Wie kommt es zu derart extremen Unterschieden zwischen zwei Frauen, die aus der gleichen Familie stammen?«, will David wissen.
Anstelle einer Antwort überkommt mich ein leichter Hustenanfall. Gerade bei David, mit seinem Hang zur kategorischen Genauigkeit, muss ich besonders aufpassen, mit dem was ich sage.
»So was ist häufig der Fall«, analysiert Cengiz mit halb vollem Mund und nimmt mir damit freundlicherweise die Antwort ab. Ich weiß sowieso nicht, was ich sagen soll. Was ist das überhaupt für ein blödes Thema, über das hier die ganze Zeit geredet wird? Mein Blick wandert verstört von David zu Cengiz, der schon wieder weiter philosophiert: »Wir Deutsch - Türken sind ziemlich hin und her gerissen zwischen den beiden Kulturen. Manchmal spalten sich die nachfolgenden Generationen einer Familie in zwei Parteien. Die einen passen sich dem Weltbild des Westens an, so wie Yasemin. Die anderen bleiben den Traditionen treu, sind sehr gläubig und demütig, so wie Melek«, verstohlen mustert er mich. »Und dann gibt es da noch Ausnahmen, die sich nicht recht für eine Seite entscheiden können. Nehmen wir mich zum Beispiel. Ich bin zwar westlich orientiert was meine Kleidung, meine Autonomie und mein Leben in Deutschland betrifft. Andererseits wünsche ich mir eine gegensätzliche Partnerin. Sozusagen eine Türkin mit Leib und Seele; traditionell, treu und gutes türkisches Essen sollte sie auch kochen können! Damit würde ich mich vollkommen fühlen.« Er zwinkert mir indiskret zu.
Wie bitte? Diese Gesinnung ist ja nun ganz und gar nicht nach Yasis Geschmack. Wieso ist der Typ mit dieser Einstellung dann bitte schön überhaupt mit meiner westlich orientierten Freundin Yasi zusammen? Ich dachte das Thema hätten die beiden inzwischen geklärt.
Cengiz fängt an, mich auf eine seltsame Art zu beäugen, wobei er versucht es möglichst unauffällig zu tun. Mir wird ganz unwohl dabei. Beunruhigt springe ich vom Stuhl.
»So, der Hauptgang wäre dann wohl fällig!«, rufe ich in die Runde.
Arndt erhebt sich prompt, um mir dabei zu helfen. Er räumt die leeren Teller vom Tisch ab und trottet mir wie ein treuer Köter in die Küche hinterher.
Wir kehren zurück ins Esszimmer und servieren meine Fertigpizzateig-Entenbrustfilet-Chinagemüse-Kreation , die als Döner in Erscheinung tritt. Also, ich finde, sie riecht lecker. Und der Geschmack...na schön, ein bisschen gewöhnungsbedürftig!
Arndt scheint es jedenfalls wieder zu munden, während David leidenschaftslos am Brotrand herum knabbert. Cengiz beißt beherzt zu. Doch nach wenigen Sekunden stockt seine Kaubewegung.
»Ist das Ente?«, fragt er entsetzt.
Und anstatt einfach die Klappe zu halten, reite ich mich geradewegs hinein, in den immer tiefer werdenden Sumpf der irrsinnigsten Falschaussagen.
»Ja, ähm…das ist ein spezielles Rezept von meiner Tante Fatma, weißt du«, tische ich ihm so gelassen wie möglich auf. »Die Gute war nämlich allergisch gegen alle Paarhufer und jegliches Geflügel... außer Ente.« Fahrig studiere ich die Gesichter der drei anwesenden Männer. Kaufen sie mir diese hirnverbrannte Geschichte tatsächlich ab?
»Ach so, na dann…« Verständnisvoll prüft Cengiz den Döner. Dann beißt er ohne zu zögern zu. Ich stehe kurz davor vom Glauben abzufallen. Für keinen der drei Männer scheint dieses türkische Essen besonders fragwürdig zu sein. Vermutlich könnte ich ihnen sogar flambierte Hundehaufen als neuste Delikatesse aus Aserbeidschan servieren, ohne dass sie stutzig werden würden. Tss...Männer!
Mehr und mehr schleicht sich bei mir die
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