Geliebte Nanny
an.
»Merhaba Kuzin Melek«, sagt er grinsend und bombardiert mich unvorhergesehen mit lauter Floskeln in seiner Muttersprache. Ich verstehe natürlich kein einziges Wort. Gleich falle ich in Ohnmacht.
Arndt und David tauschen ungereimte Blicke aus, aber Cengiz bringt sofort Licht ins Dunkel. »Melek ist die Cousine meiner Freundin, Yasemin«, macht er den beiden Deutschen begreiflich. Ein unsichtbares Aha formt sich auf ihren Gesichtern.
Yasemin hat ihm also von Melek erzählt. Offensichtlich glaubt Cengiz tatsächlich, ich sei eine echte Türkin. Aber wie lange noch?
Die Augen der drei Männer sind gespannt auf mich gerichtet. Warum glotzen die mich bloß so an? Erwarten die etwa, dass ich Cengiz jetzt auf Türkisch antworte?
Scheiße, langsam werde ich panisch. Ich bringe ein ungeschicktes Lächeln zustande. Was für ein blöder Zufall aber auch, dass ausgerechnet Cengiz heute Abend Davids Gast ist. Aber ich hätte es mir ja eigentlich denken können. Schließlich habe ich die beiden schon zweimal zusammen im e.Club angetroffen. Yasemin muss Cengiz erzählt haben, dass ihre Cousine Melek, rein zufällig die Nanny der Familie seines Kumpels David ist. Diese Plaudertasche!
Was hat sich meine beste Freundin bloß dabei gedacht, mich in so eine Situation zu bringen? Na, wenigstens hat Cengiz mich nicht als Yasemins Freundin Melissa enttarnt. Noch nicht!
Plötzlich saust mir ein rettender Gedanke durch den Kopf und meine Ganzkörperverkrampfung löst sich endlich. Ich straffe meine Schultern und sage dann würdevoll: »In der Gesellschaft von Deutschen, spreche ich ausschließlich Deutsch. Der Höflichkeit wegen.«
»O ja, natürlich. Unbedingt!«, stimmt Cengiz mir kleinlaut zu.
»Würdest du dann bitte auf Deutsch wiederholen, was du gesagt hast. Damit David und Arndt verstehen, worum es geht«, fordere ich ihn auf.
»Klar«, ruft Cengiz und beginnt sofort für David und Arndt zu dolmetschen: »Ich habe zu Melek gesagt, dass ich ziemlich gespannt bin, wie das Essen wohl schmeckt . « Wieder lächelt er mich mit seinen glänzend - schwarzen Augen an. »Heutzutage kann ja kaum noch jemand richtig traditionell kochen. Da können Sie wirklich stolz auf sich sein, Melek!«
O je, dem wird das dusselige Grinsen bestimmt noch vergehen. Ich mag gar nicht dran denken. Mittlerweile habe ich mich auf meinen Platz gesetzt und Arndt schenkt allen Wein ein. Ich begnüge mich mit Tafelwasser.
»Tja, also...«, zögere ich, »…ich habe mein Bestes gegeben.« Meine markante Verlegenheit wird zu allem Überfluss mit einem debilen Lächeln gekrönt, dass sich dummerweise ganz automatisch in meinem Gesicht ausbreitet.
»Na, dann lasst es uns doch endlich probieren«, fordert Arndt alle auf. Nun denn…Katastrophe nimm deinen Lauf. Aber irgendwann müssen sie ja schließlich essen. Bevor noch alles kalt wird.
Nachdem die Männer eine gefühlte Viertelstunde damit zu Gange waren, die Weinblätterröllchen vom Bindfaden zu befreien und meine Nerven völlig blank liegen, können wir endlich mit dem Essen beginnen.
Meine Gabel zittert in meiner Hand, als ich ein Stück von den gefüllten Blättern zu meinem Mund führe. Ich weiß natürlich schon, was mich erwartet und tue deshalb nur so, als würde ich essen. Ich fange an, mit leerem Mund zu kauen und beobachte klammheimlich die anderen drei, wie sie zeitgleich zu ihren Wassergläsern greifen. Ihre zombiehaften Gesichter machen mir echt Angst. Hoffentlich hat keiner von Ihnen eine Chiliallergie.
Stille. Schuldbewusst senke ich den Kopf und peile einen Fixpunkt auf meinem Teller an. Keiner sagt was. Einzig und allein das Gluckern, das von dem Wasser stammt, welches die drei Männer ihre brennenden Kehlen herunterspülen, erfüllt den Raum.
»Wow, schmeckt nicht schlecht«, bemüht sich Arndt, die Situation zu entschärfen. Er hat einen hochroten Kopf und reibt sich den Schweiß von der Stirn.
»Bisschen scharf...«, murrt Cengiz, der sich offenbar auf ein Geschmackserlebnis nach Art des »Elternhauses« gefreut hat.
Pech gehabt!
David stochert in den Röllchen herum und vermeidet jeglichen Augenkontakt zu mir. Ich vermute mal, er ist auch nicht begeistert, aber er sagt nichts. O Gott…oder hat das Zeug ihm etwa die Zunge verätzt?
Nur Arndt mampft tapfer weiter. Dabei lächelt er mir wohlwollend zu.
Ich serviere die nächste Speise. Die schwedischen Bullenköttel - Hackfleischspieße ohne Spieße, die ich zum Glück weniger pikant gewürzt habe. Dafür
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