Geliebte Nanny
stolz darauf sein, anders als die anderen zu sein. Und vor allem anders als Claudia«, sagt er. Als er den Namen seiner Frau erwähnt, meine ich einen Anflug von Bitterkeit in seinem Gesicht zu erkennen.
»Nehmen Sie es sich nicht zu sehr zu Herzen, dass manche Menschen Sie verurteilen, weil Sie nicht gerade dem Idealbild unserer Gesellschaft entsprechen. Was zählt, ist nicht das Äußere, sondern das was in Ihnen drinsteckt.«
Ich traue meinen Ohren nicht. Arndt setzt sich mit nachdenklichem Blick auf einen Küchenstuhl und signalisiert mir, mich ebenfalls zu setzen.
»Ich bin froh, dass Sie zu uns gekommen sind, Melek. Lange hätte ich es nicht mehr ausgehalten.«
Wovon redet der?
Ich schaue ihn argwöhnisch an und entdecke eine winzige Träne in seinem Augenwinkel blitzen. Er wischt sie weg und knüpft an: »Ich rede von Claudia. Ich ertrage es einfach nicht mehr, wie sie mit unseren Kindern umspringt. Als würde es sich dabei um ein paar nette Accessoires handeln, die sie nur dann gebrauchen kann, wenn sie gerade zu ihrer Garderobe passen. Es macht mich traurig. Aber jetzt sind Sie ja Gott sei Dank bei uns Mel. Das beruhigt mich. Endlich sind die Kinder in guten Händen.«
Er lächelt gequält.
Ich gaffe Arndt an. Ich habe diesen Mann völlig falsch eingeschätzt. Seine Worte haben einen fetten Kloß in meinem Hals verursacht. Einen derartigen Gefühlsausbruch habe ich ihm gar nicht zugetraut. Zugegeben, Arndt ist nicht mehr ganz nüchtern nach diesem langen Abend. Aber bekanntlich sagen Kinder und Betrunkene immer das, was sie denken.
»Ich werde in der nächsten Zeit häufig auf Geschäftsreise sein. Es würde mir das Herz brechen, die Kinder allein bei meiner Frau lassen zu müssen!« Er erhebt sich vom Stuhl und holt eine Weinflasche aus dem Kühlschrank. Dann nimmt er zwei Weingläser, füllt sie bis zur Hälfte voll mit Rotwein und bietet mir eins an.
Ich zögere.
»Ich weiß, dass es Ihnen nicht erlaubt ist Alkohol zu trinken. Aber ich werd’s auch nicht weitersagen.« Er zwinkert.
Ich greife zum Glas und nehme einen bescheidenen Schluck. Nicht, dass er denkt, ich wäre es gewohnt Wein zu trinken. Um dem ganzen noch ein wenig mehr Glaubwürdigkeit zu schenken, verziehe ich nach dem Hinunterschlucken das Gesicht zu einer Grimasse und schüttele mich mutmaßlich angewidert. Arndt trinkt und setzt wieder zum Sprechen an: »Melek, Sie müssen mir unbedingt etwas versprechen.« Er sieht mir zielbewusst in die Augen. »Bitte kümmern Sie sich weiterhin so gut um Gerald und Pauline. Die beiden brauchen Sie. Das sehe ich! Im Moment wäre es das Allerschlimmste für die Kinder, wenn die einzige Person, die ihnen Aufmerksamkeit schenkt, sie wieder verlässt. Ich habe einfach keine Hoffnung, dass Claudia irgendwann die Kurve kriegt und sich endlich wie eine anständige Mutter benimmt. Sie einzustellen, Melek, war die einzig gute Entscheidung, die meine Frau seit langem getroffen hat.« Er seufzt und schüttet den Inhalt seines Glases mit einem Riesenschluck hinunter.
»Mir wird kaum Zeit für die beiden bleiben, wegen der Firma. Sie müssen also unbedingt bei uns bleiben.« Es klingt fast schon wie ein Flehen. Arndts enorme Gefühlsbewegung reißt mich buchstäblich mit, an den Rand des Abgrunds, vor dem er zu stehen scheint.
Hilfe! Der Kloß in meinem Hals beginnt rasant anzuschwellen, als würde es sich dabei um eine allergische Reaktion handeln, die durch einen Wespenstich ausgelöst wurde. Er schnürt mir fast die Luft ab.
Arndts Erwartung an mich übersteigt meine Vorstellung eines »Jobs« gewaltig. Zumal ich mich ja angesichts meiner »Berufskleidung« schon im absoluten Grenzbereich des Zumutbaren bewege. Ich bin mir nicht sicher, ob ich Arndt richtig verstanden habe, aber für mich hörte sich das eben so an, als verlangte er von mir, so lange die Nanny zu bleiben, bis die Kinder auf eigenen Beinen stehen. Oder zumindest bis sie volljährig sind. Zu meinem Entsetzen glaube ich, dass er es tatsächlich auch so meint. Oder übertreibe ich jetzt?
»Ich habe ja gar nicht vor jetzt zu gehen Arndt«, presse ich stoßweise hervor, wobei ich lieber gar nichts sagen würde, denn irgendwie fühle ich mich erheblich unter Druck gesetzt.
»Und es ist unheimlich nett von Ihnen, Arndt, dass Sie mich so sehr schätzen, aber ich – «, Mist. Was soll ich bloß sagen? Wo sind die faulen Ausreden, wenn man sie wirklich dringend benötigt?
Ist ja wohl gemeinverständlich, dass ich nicht für
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