Geliebte Nanny
Menge Hackfleisch mit einigen gewürfelten Zwiebeln, Petersilie und ein paar der Gewürze vom Markt zu vermischen. Da mir Knoblauch, bei der türkischen Küche, die wichtigste Zutat zu sein scheint, verwendete ich ihn besonders großzügig. Im Vorratsschrank entdeckte ich Reis. Risottoreis. Aber egal. Reis ist Reis, oder? Also rein damit.
Dann gab ich einen Klecks der Mischung auf eines der Weinblätter und rollte es zusammen. Erinnerte mich fast ein bisschen an Frühlingsrollen. Unglücklicherweise blieben die Dinger einfach nicht zusammengerollt liegen, aber ruckzuck fiel mir auch schon ein, wie ich mir bei dieser Problematik Abhilfe verschaffen konnte. Hat nicht schon meine Oma in früheren Zeiten ihre Rouladen mit einem Bindfaden zusammengehalten? Ich erinnere mich noch genau daran, wie ich als Kind Sonntagvormittags immer dabei zuschaute, wenn sie stundenlang liebevoll ihre prallgefüllten Rinderrouladen zu festen Paketen zusammenschnürte und dabei Geschichten aus ihrer Jugend erzählte.
Ich kramte in Antoines persönlicher Schublade, wie er sie nannte. Eigentlich durfte ich nur im äußersten Notfall dort hineinschauen. Das hier war eindeutig ein Notfall. Und tatsächlich, in Antoines Schublade fand ich eine Rolle Nähgarn. Schwarz und absolut reißfest. Mit Flinken Fingern wickelte ich das Garn um die widerspenstigen türkischen Frühlingsrollen. Jetzt stellte sich nur noch die Frage, wie man die Dinger essbar und servierfähig machte. Letztendlich entschied ich mich fürs Braten, was eindeutig die falsche Entscheidung war. Also disponierte ich schleunigst um, indem ich die Röllchen, die außen angebrannt und innen praktisch roh waren, in einen Topf mit heißem Wasser umsiedelte und das ganze vor sich hin köcheln ließ. Schon besser!
Gleichzeitig kam mir die geniale Idee in den Sinn, aus dem Joghurt und dem Sauerrahm und einer Knolle Knoblauch eine Art Zaziki herzustellen, den ich als Soße zu den Röllchen servieren würde. Noch eine Prise von dem roten Pulver drüber, und fertig war meine Vorspeise. Ganz so dumm stellte ich mich doch nicht an. Ich war richtig stolz auf mich. Na ja, bis zu dem Moment in dem ich vorsichtshalber schon mal von den Röllchen probierte. Tatsächlich hatte ich das Original von Yasis Mutter anders in Erinnerung. Nicht zu vergleichen mit der klebrigen Hackfleisch - Risotto - Matsche, die sich jetzt in meinem Mund befand und die ich mich kaum herunterzuschlucken wagte. Und wie scharf das Zeug war – wirklich sauscharf!
Blitzschnell griff ich zum rettenden Wasserglas. Doch kaum hatte ich den ersten Schluck genommen, explodierten sämtliche Geschmacksnerven in meiner Mundhöhle. Tränen rannen mir über die Wangen. Es dauerte minutenlang, bis das taube Gefühl in meinem Mund verschwand. In dieser Zeit hätte mir jeder Hobby - Piercer problemlos ein Zungenpiercing stechen oder eine Wurzelfüllung bei mir durchführen können.
O Gott, ich hatte keine Ahnung was ich da bloß fabriziert hatte. Wieso war das Zeug so scharf? Ich hatte nicht mal Pfeffer benutzt. Im gleichen Moment tauchte die Ursache buchstäblich vor meinen Augen auf. Das rote Pulver vom Markt! Dabei musste es sich um Chili gehandelt haben. Aber das Jammern half ja nun auch nicht. Im Grunde konnte ich einfach nur darauf hoffen, dass Arndt und seine Gäste nicht allzu empfindlich waren, was scharfes Essen betraf.
Ich schaute auf die Uhr. Nur noch eine Stunde. Jetzt aber dalli. Das Desaster mit den Weinblatt - Frühlingsrollen ließ meinen Ehrgeiz aufflackern. Bei den anderen Sachen musste es einfach besser klappen! Und so begann ich, voller Übermut die Hackfleischspieße zuzubereiten. Dummerweise konnte ich in der ganzen Küche keinen einzigen Spieß auftreiben. Und die Holzzahnstocher die ich aufstöberte, waren für meine Zwecke auch irgendwie unpraktisch. Oma hätte an meiner Stelle sicherlich ihre Stricknadeln benutzt. Doch leider fand ich in Antoines Schublade alles Mögliche – Hoppla, was war das denn!? – nur keine Stricknadeln. Dann musste es eben ohne gehen.
Ich knetete also Hackfleischklößchen und fing an sie zu braten. Als ich endlich fertig war stapelte sich ein Dutzend kleiner kackbrauner Fleischbällchen auf meiner Servierplatte, die mich an etwas erinnerten, was man üblicherweise nicht essen sollte. Jetzt weiß ich endlich, wie die Schweden auf diesen ungemein passenden Namen für ihr Nationalgericht gekommen sind, das in jedem Ikea - Restaurant auf der Karte steht. Köttbullar. Oder
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