Geliebte Nanny
dazu, mich krampfhaft in meinem Stuhlpolster festzukrallen.
»Also wer sind Sie nun?« David wirkt fast ein bisschen ungeduldig. Dieser Mann ist wirklich mehr als hartnäckig. Allmählich kommt mir das ganze vor, wie ein Verhör. Oder hat er mich etwa durchschaut? O Gott, vielleicht hat er ja gemerkt, dass irgendetwas an der türkischen Nanny nicht ganz koscher ist. Die blöde Ente ist schuld. Und Tante Fatma mit ihrer lächerlichen Allergie.
Ich versuche Ruhe zu bewahren und in seinem Gesicht zu lesen. Wenn er wirklich etwas wüsste, würde er es dann vor Cengiz und Arndt offenbaren?
Ich hole einmal tief Luft. Irgendwas muss ich jetzt sagen. Entweder er glaubt mir oder er bohrt weiter, bis ich die Wahrheit sage. Also Augen zu und durch. Ich gebe ein kurzes Statement ab und hoffe, dass David sich damit begnügt: »Ich bin Melek Yildiz und ich bin zufrieden, so wie es ist. Und ich habe in keiner Weise vor, etwas daran zu ändern. Wer mich nicht so akzeptiert wie ich bin, der kann mich am Arsch lecken.« Punkt.
Cengiz schluckt erschrocken seinen Nachtisch herunter, setzt dann aber ein amüsiertes Lächeln auf. David hingegen guckt mich mit höchst unbefriedigter Miene an. Das war offenbar eine suboptimale Antwort in seinen Augen. Aber er hakt nicht weiter nach. Die Vermutung, er könnte gemerkt haben, dass mit mir irgendwas nicht stimmt, hat sich zum Glück nicht bestätigt. Aber was ist es dann, was ihn so neugierig und skeptisch macht?
Da meldet Arndt sich zu Wort: »Mmmhhh..., diese Feigen...sind einfach zu köstlich, Melek. Könnte ich noch einen Nachschlag bekommen?« Er ist sichtlich darum bemüht, die Situation ein wenig zu entspannen. Davids Aufsässigkeit scheint ihm peinlich zu sein.
Ich atme erleichtert aus.
»Aber sicher, Arndt«, sage ich und trabe in die Küche.
Als ich zurückkomme, sind Cengiz und David in Aufbruchsstimmung. David erhebt sich. »Tut uns leid, wir wollen noch in einen Nachtclub«, entschuldigt er sich bei Arndt.
»Yasemin wartet sicher auch schon auf mich«, erklärt Cengiz.
Arndt schlemmt seine zweite Portion Feigen mit Vanilleeis. Er nickt verständnisvoll. »Ja geht ruhig. Ist ja auch schon spät.«
Cengiz verabschiedet sich kavaliersmäßig von mir. David presst ein eiliges »Schönen Abend noch« hervor.
Ich räume den Tisch ab. In Gedanken versunken, versuche ich Davids eigenartiges Verhalten noch einmal zu analysieren. Ich werde einfach nicht schlau aus ihm! Mal ist er ein absoluter Besserwisser, der mich bei jeder Gelegenheit bloßstellen will. Dann wiederum ist er nett zu mir (wenn auch auf sehr bürokratische Weise). Ein anderes Mal beachtet er mich kaum oder geht mir aus dem Weg. Und nun interessiert es ihn plötzlich brennend, wer Melek Yildiz wirklich ist!
In der Küche herrscht Chaos. Ich beginne mit dem Aufräumen. Keine zwei Minuten später steht Arndt im Türrahmen. Er stellt seinen Dessertteller in die Spülmaschine und macht sich daran, das restliche Geschirr einzuräumen.
»War das nicht ein netter Abend, Mel?«, flötet er, dabei entgeht mir keineswegs, dass er leicht einen sitzen hat.
»Mmh«, mache ich. »War ganz nett, bis auf –« Noch bevor ich aussprechen kann, fällt Arndt mir ins Wort.
»Ich muss mich für meinen Schwager entschuldigen, Melek. David ist manchmal ein bisschen unsensibel. Liegt in der Familie. Seine Schwester ist genauso, wie Sie bestimmt schon festgestellt haben.«
Ich wische wie wild mit einem Spülschwamm, auf dem Cerankochfeld herum, um meine Nervosität zu überspielen, die mich jedesmal heimsucht, sobald Davids Name auch nur erwähnt wird.
»Ist schon okay«, bagatellisiere ich das Ganze.
Arndt tritt auf mich zu. Nur wenige Zentimeter trennen unsere Gesichter voneinander.
»Wissen Sie«, fängt er an. Igitt. S eine Knoblauchfahne ist ja wirklich widerlich. Ich halte automatisch den Atem an, als er weiterspricht.
»Sie sind eine bewundernswerte Frau, Melek. Wirklich, ich bewundere Sie. Sie sind so menschlich und aufopfernd. Wenn ich nur an die Sache mit dem Mädchen denke, das Sie vor dem Ertrinken gerettet haben.«
»Oh, vielen Dank Arndt«, sage ich und werde rot. Gerade ist mir bewusst geworden, dass ich höchstwahrscheinlich auch solche bestialischen Ausdünstungen von mir gebe. Wie peinlich. Unauffällig kontrolliere ich, ob er vielleicht vor Ekel sein Gesicht verzieht oder ebenfalls die Luft anhält. Fehlanzeige. Erleichtert konzentriere ich mich wieder auf das Gespräch.
»Sie können
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