Geliebte Rebellin
sich in seine Haut bohrte und ihm die Sinne zu rauben drohte. Er zwang sich, seine Gedanken nur noch auf seine Flucht zu richten.
In dem steinernen Verlies breitete sich das Feuer schnell aus. Eine dichte, übelriechende Rauchwolke breitete sich aus, als weitere Glasgefäße zersprangen und ihr Inhalt sich in die Flammen ergoss
Morgan sprang mit einem Satz zu einer Schublade, zog sie auf und holte eine zweite Pistole heraus. Er drehte sich zu Baxter um und kniff die Augen zusammen, um durch die immer dichter werdende Rauchwolke die Waffe erneut auf ihn zu richten.
Baxter hatte das Gefühl, ihm würde die Haut in Streifen vom Leib gezogen. Durch den Schleier, den der Rauch und der Schmerz vor seine Augen zogen, konnte er gerade noch sehen, dass der Weg zur Tür bereits von mannshohen Flammen versperrt war. In dieser Richtung gab es kein Entkommen.
Er nahm Anlauf und trat mit dem Stiefel gegen die schwere Luftumwälzungsanlage. Sie fiel um und kippte gegen Morgans rechtes Bein.
»Der Teufel soll dich holen.« Morgan wankte zur Seite, und sank auf die Knie. Die Pistole fiel auf den Steinboden.
Baxter rannte zum Fenster. Die durchlöcherten Reste seines verätzten Hemdes hingen an ihm herab. Er erreichte das breite steinerne Fenstersims und warf einen Blick in die Tiefe.
Unter ihm tobte das aufgewühlte brodelnde Meer. In dem silbernen Schein der schmalen Mondsichel konnte er die wilde Brandung deutlich erkennen. Sie brach sich an den Felsen, die das Fundament des alten Schlosses bildeten.
Ein donnernder Schuss löste sich aus der Pistole.
Baxter stürzte sich hinunter in das dunkle Gewässer. Eine Reihe von heftigen Explosionen hallte durch die Nacht, während er wie ein Stein in die Tiefe fiel.
Der Aufprall auf der Wasseroberfläche entriss ihm Morgan Judds Notizbuch, das für immer auf den Meeresgrund sank.
Als er einen Moment später aus den tosenden Wellen auftauchte, merkte Baxter, dass auch seine Brille verschwunden war. Doch auch so sah er, dass sich das Laboratorium im Schlossturm in ein Inferno verwandelt hatte. Grässliche Rauchschwaden trieben in die Nacht hinaus.
Einen solchen Großbrand konnte niemand überleben. Morgan Judd musste tot sein.
Baxter dachte daran, dass er dem Mann den Tod gebracht hatte, der einstmals sein engster Freund und Kollege gewesen war.
Beinahe hatte er den Eindruck, dass es doch so etwas wie Schicksal und Vorbestimmung gäbe.
1
London, drei Jahre später
»Sie zwingen mich, schonungslos zu sein, Mr. St. Ives. Sie lassen mir keine andere Wahl. Leider sieht es jedoch so aus, dass Sie meinen Vorstellungen von einem Sekretär nicht ganz entsprechen.« Charlotte Arkendale saß hinter ihrem breiten Mahagonischreibtisch und musterte Baxter kritisch. »Es tut mir leid, dass Sie Ihre Zeit vergeudet haben.«
Das Einstellungsgespräch ließ sich gar nicht gut an. Baxter rückte die Brille mit dem goldenen Gestell auf seinem Nasenrücken gerade und gelobte sich insgeheim, dem Impuls, mit den Backenzähnen zu knirschen, jetzt nicht nachzugeben.
»Verzeihen Sie, Miss Arkendale, aber ich hatte den Eindruck, Sie wollten eine Person engagieren, die absolut harmlos, unauffällig und uninteressant wirkt.«
»Das kommt den Tatsachen recht nahe.«
»Ich glaube, Ihre exakte Beschreibung des idealen Kandidaten für diesen Posten lautete, ich zitiere wörtlich: Ein Mensch, der so fad ist wie Haferschleim. «
Charlottes große grüne, beunruhigend intelligente Augen blinzelten. »Sie verstehen mich nicht richtig, Sir.«
»Ich irre mich nur äußerst selten, Miss Arkendale. Meine Haupteigenschaften bestehen darin, dass ich präzise, methodisch und besonnen veranlagt bin. Irrtümer werden von jenen begangen, die impulsiv sind oder zu übermäßiger Leidenschaft neigen. Ich kann Ihnen versichern, dass das nicht meinem Naturell entspricht.«
»Was die Gefahren angeht, die eine leidenschaftliche Natur birgt, könnte ich nicht noch mehr mit Ihnen übereinstimmen«, entgegnete ihm Charlotte eilig. »Genau das ist auch eines der Probleme . . .«
»Gestatten Sie mir, Ihnen wörtlich vorzulesen, was Sie in dem Brief an Ihren kürzlich ausgeschiedenen Sekretär geschrieben haben.«
»Das ist nicht nötig. Ich weiß selbst, was ich an Mr. Marcle geschrieben habe.«
Baxter ignorierte sie. Er griff in die Innentasche seiner zerknitterten Jacke und zog den Brief heraus. Er hatte das verdammte Ding schon so oft durchgelesen, dass er es nahezu auswendig kannte, doch er blickte auf die geschwungene
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