Geliebte Suenderin
als man ein Tablett mit gebratener Ente, Fleischpasteten, Eiern und Törtchen an ihm vorbeitrug, die herrlichen Düfte kitzelten seine Nase. Er zählte niedergeschlagen das kleine Häuflein Münzen in seiner Hand und steckte sie resigniert zurück in die Tasche.
Sabrina betrat das Zimmer und näherte sich Richard. Der Lärm im Raum überdeckte das Rascheln ihrer Seidenröcke.
»Richard«, sagte Sabrina leise.
Richards roter Kopf schnellte hoch, und seine Augen hinter der Brille wurden rund vor Staunen, als er Sabrina vor sich stehen sah. »Rina?« hauchte er, dann umarmte er sie, er hatte ihr erleichtertes Lächeln gesehen. »Oh, Rina, du kommst immer, wenn ich dich brauche. Ich habe mir so gewünscht, du wärst hier«, gab er schniefend zu und drückte sein Gesicht dankbar an ihre Schulter.
»Hast du Hunger?« fragte sie, als er sich aufrichtete und tapfer versuchte, seinen zitternden Mund zu beherrschen.
»Ich könnte eine ganze Kutsche von dem Pudding essen«, erwiderte er gierig, alle Mühsal war vergessen, jetzt wo Sabrina hier war.
Sie mietete einen privaten Speiseraum und beobachtete amü-
siert, wie Richard sich eine dritte Portion Apfel-Orange-Pudding nahm und strahlend das Dessert weglöffelte. Sabrina schob ihren Teller zur Seite, nahm einen Schluck Wein und überlegte, was sie sagen sollte. Sie war so erleichtert gewesen, Richard zu finden, daß sie ihm nicht zeigen wollte, wie wütend ihre Angst um ihn sie gemacht hatte.
»Du weißt schon, wie dumm das war, wegzulaufen, ohne mir einen Ton zu sagen. Kannst du dir vorstellen, Richard, wie mir zumute war, als einer der Lakaien gesagt hat, du hättest dich nachts davongeschlichen und wärst mit der Kutsche nach Schottland abgereist?« sagte sie streng. »Hast du denn nicht überlegt, wie viele Sorgen ich mir machen würde? Du hast gewußt, daß ich dir nicht erlauben würde zu fahren, also bist du einfach weggelaufen.«
Richard ließ schuldbewußt seinen schamroten Kopf hängen.
Nach einiger Zeit schaute er hoch, und zwei dicke Tränen rollten ihm übers Gesicht. »Ich habe einfach nicht drüber nachgedacht, Rina. Ich habe es doch nur für uns getan. Sei nicht böse, bitte«, flehte er, ging zu ihr und zupfte verlegen an ihren Spitzen-
ärmeln.
Sabrina legte einen Arm um seine Taille und drückte ihn an sich. »Tut mir leid, daß ich dich tadeln mußte, aber du sollst wissen, wie mir zumute war, als du verschwunden warst. Du mußt auch an andere Leute denken, Dickie.«
»Aber das habe ich doch, Rina. Ich wollte den Schatz für uns holen«, erklärte er mit hoffnungsvollem Gesicht. Er musterte sie nachdenklich und sagte: »Du behandelst Lucien immer ziemlich schlecht, Rina, obwohl er dein Mann ist.«
Sabrina spürte, wie ihr die Schamröte ins Gesicht stieg, und erwiderte: »Das ist etwas anderes.«
»Ich verstehe nicht, warum. Manchmal wünschte ich, ihr wärt wieder Freunde wie vorher, und dann könnten wir alle miteinander glücklich sein. Ich wünschte, ihr würdet euch nicht dauernd gegenseitig weh tun«, sagte er mit traurigen blauen Augen und versuchte vergeblich, die Erwachsenen zu verstehen.
Sabrina biß sich auf die Lippe. »Ich wünschte auch, wir könnten das, Dickie, aber Lucien wollte es nicht so und ich auch nicht.«
»Aber du willst es jetzt?« fragte er voller Hoffnung.
Sabrina lächelte traurig. »Ich weiß wirklich nicht, was ich will. Und selbst wenn ich es wüßte, nun, ich glaube nicht, daß es noch möglich wäre. So«, sagte sie und wechselte streng das Thema, »wir werden also heute nacht hierbleiben und morgen früh nach Camareigh zurückfahren.«
Richard riß sich von ihr los und sah aus wie ein kleiner Hund, dessen Fell sich sträubt. »Nein, ich komme nicht mit, Sabrina. Wir sind schon so nahe dran, warum können wir nicht hinfahren und nach dem Schatz suchen? Bitte. Wenn wir ihn finden, sind wir reich und können Camareigh verlassen.«
Und sie wäre nicht mehr abhängig von einem Mann, der sie nicht liebte, dachte Sabrina grimmig. Sie würde Lucien um nichts bitten müssen, wenn sie ihn verließ. Und Rhea würde sie auch mitnehmen. Sie war für ihn kein männlicher Erbe, warum sollte es ihm dann etwas ausmachen, obwohl sie zugeben mußte, daß er ihr viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte.
Warum nicht weiterfahren und Großvaters Schatz suchen?
Es war Richards Erbe, und schließlich sollte er unabhängig sein und sich keine Sorgen machen müssen, daß der Marquis zu-rückkommen und ihm drohen könnte. Sie ließ
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