Geliebte Suenderin
allmählich ihre Zweifel hatte, und rief: »Komm schon, wir sind fast da. Nur noch ein kleines Stück, hoffe ich«, fügte sie für sich hinzu.
Der Weg bot plötzlich um einen Felsvorsprung, und Sabrina und Richard blieben stehen. Vor ihnen lag silbern glänzend der Loch, und an seinem Ufer die Ruinen des Schlosses.
»Oh, Rina«, hauchte Richard ehrfürchtig, wenn auch etwas enttäuscht, »es ist zerstört. Glaubst du, sie haben das Gold auch gefunden?«
Sabrina trieb ihr Pony den felsigen Abhang zum See hinunter, den Blick starr auf das ruinierte Schloß gerichtet. Richards Frage hatte sie gar nicht gehört.
»Warum haben sie das getan? Warum haben sie es zerstört?«
fragte sie, als sie den See entlang zum Schloß ritten, leise plätscherten die Wellen ans Ufer. Sabrina stieg ab und ging auf die eingefallenen Mauern zu. Riesige Steinbrocken, die von den ehemaligen Wachtürmen stammten, lagen über den einstigen Innenhof verstreut. Nur ein Skelett war noch von der steinernen Treppe übrig, und das Dach der großen Halle war seit langem eingestürzt. Voller Entsetzen sah Sabrina sich um und packte Richard fest an der Hand. »Es war ein anderes Leben, Richard«, sagte sie traurig und hörte die Stimme ihres Großvaters durch die Ruinen hallen.
»Ich erinnere mich gut an den Tag, an dem wir hier weggerit-ten sind und über diese Treppe heruntergelaufen sind«, sagte Richard verwundert angesichts der unkrautüberwucherten Halle, in der kreischende Möwen nisteten und sich lauthals über die Eindringlinge beschwerten.
Er zog die Karte heraus, die sie angefertigt hatten, und versuchte, sich zu orientieren. »Ich glaube, die Höhle liegt da drü-
ben«, sagte er und deutete vage in Richtung des anderen Ufers.
»Aber wie kommen wir dahin? Da ist kein Weg eingezeichnet.«
Sabrina sah sich die Karte an und dann hinüber zum anderen Ufer. »Der Weg ist schwer zu finden. Komm jetzt«, drängte sie ihn, sie bekam plötzlich Angst, so allein hier in den Ruinen. »Wir müssen zurück sein, ehe der Dunst von den Bergen herunter-kommt.«
Richard folgte Sabrinas sicherem Tritt entlang des Ufers und dann hinauf durch die großen Felsbrocken, die überall am Ufer des Lochs verstreut lagen. Sie gingen einen holprigen Weg entlang, der noch nicht von Unkraut überwuchert war, so als würden die Mitglieder des Clans ihn noch täglich beschreiten.
Sabrina hielt plötzlich an, und vor ihnen verschwand der Pfad im See. »Ich hatte vergessen, daß dieser Weg nur halb um den See herumgeht, Dickie. Ich glaube nicht, daß wir es auf die andere Seite schaffen. Wir haben kein Boot.«
Sie starrten ihre Spiegelbilder im Wasser an, als Richard plötzlich einen leisen Angstschrei ausstieß. Ein drittes Gesicht spiegelte sich im Wasser. Sabrina schluckte, sie drehte sich um und sah ängstlich zu der Erscheinung auf, die sich unbemerkt an sie herangeschlichen hatte. Richard wimmerte leise und drückte sich an Sabrina.
Die männliche Gestalt kam näher und sah sie mit wilden Augen an. Der Mann trug einen Vollbart, die Haare hingen verfilzt über seine Schultern, und auf dem Kopf hatte er eine Kappe mit einer einzelnen Adlerfeder.
Sabrina musterte seinen Tartankilt und den Lederbeutel, der daran hing. Seine Waden waren mit Tartanstrümpfen bis zum Knie bedeckt, und er trug schwere Schuhe an den Füßen. Sein Plaid hatte er über die Schulter geworfen, und in einer Hand hielt er sein Schwert, in der anderen einen Dolch, dessen Klinge böse blitzte.
Sabrina zog Richard fester an sich und versuchte, dem Gesetzlosen nicht zu zeigen, wie sehr sie zitterte. Er trug einen Kilt, war bewaffnet, und über einer Schulter hing ein Dudelsack. Sabrina war überrascht, denn diese Kleidung war gesetzlich verboten, genau wie das Spielen des Dudelsacks - aber er mußte es gewesen sein, der vorhin gespielt hatte.
»Sabrina«, flüsterte Richard ängstlich und packte ihre Hand so fest, daß es schmerzte.
Der Gesetzlose wandte sich von Sabrinas Gestalt ab und musterte Richard, der verängstigt neben ihr stand, mit gerunzelter Stirn, während der Dunst über das Tal hereinrollte. Wassertrop-fen hingen in Richards roten Haaren, und das seltsame Licht, das sich in seiner Brille spiegelte, gab seinen Augen einen gräulichen Schimmer. Er erwiderte tapfer den Blick des Mannes.
Der Highlander machte zögernd einen Schritt auf sie zu, und plötzlich grinste dieses beängstigende Gesicht von einem Ohr zum anderen. »Angus?« sagte er fassungslos. »Ich hab’ nicht
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