Geliebte Suenderin
freue mich auf unser Kind, Mary«, sagte Terence leise.
Mary lächelte und genoß seine Liebe. »Ich weiß, und ich weiß auch, daß unser Kind für uns das allerliebste sein wird«, sagte sie, »weil es von dir ist.«
Er nahm ihre Hand in die seine und hielt sie, während sie schweigend warteten, bis Marys Kopf auf seine Schulter fiel und er sie tief und regelmäßig atmen hörte. Mit einem zufriedenen Lächeln legte er sein Kinn auf ihre Locken und schloß selbst die Augen - nur für einen Moment, um sie auszuruhen, redete er sich selbst ein.
Am Abend war Lucien immer noch nicht eingetroffen, obwohl der Brief, den Terence ihm geschickt hatte, sicherlich bereits am Nachmittag in London angekommen war. Terence überredete Mary, zu Bett zu gehen, und als er schließlich die Glocke zwölf-mal schlagen hörte, gab er seine Wache auf und zog sich auch in ihr gemeinsames Schlafzimmer zurück. Es war noch immer dunkel, als Terence plötzlich unsanft von Stimmen geweckt wurde.
Er hatte einen leichten Schlaf und saß deshalb bereits mit einer angezündeten Kerze im Bett, als die Tür ihres Schlafzimmers aufgerissen wurde und der Herzog von Camareigh hereinstol-zierte. Er baute sich mit von Sorge und Müdigkeit gezeichnetem Gesicht vor Terence und der verschlafenen Mary auf, ohne ein Wort der Entschuldigung für sein taktloses Eindringen.
»Was, zum Teufel, ist das?« fragte er wütend, zog Terences Brief hervor und wedelte ihn vor ihren Nasen herum. »Und was, zum Teufel, geht hier vor? Ich war in Sabrinas Zimmer, aber es ist leer. Ich kann einfach nicht glauben, daß sie fortgeht und Rhea hier allein läßt.«
Mary sah mit Erstaunen, wie verhärmt der Herzog aussah.
Sein goldenes Haar war völlig zerzaust, und sein Gesicht war schmaler und so angespannt, daß seine Narbe deutlich hervor-trat.
»Sabrina ist in Gefahr«, platzte Mary einfach heraus, trotz Terences warnendem Blick. »Sie und Richard haben Camareigh verlassen und sind nach Schottland gereist.«
»Schottland?« wiederholte Lucien und setzte sich benommen und mit hängenden Schultern auf die Bettkante. »Warum?«
Mary hob die Schultern. »Ich weiß nicht, warum. Ich weiß nur, daß sie in schrecklicher Gefahr sind.«
Lucien sah zuerst sie schweigend an, dann Terence und erhob sich schließlich. »Danke, daß ihr mich benachrichtigt habt. Ich werde natürlich hinterherreisen.«
»Du weißt ja nicht einmal, wo du suchen sollst, ich hingegen schon«, sagte Terence und stieg aus dem Bett. »Ich komme mit dir, Lucien, du wirst mich brauchen.«
Lucien nickte. »Danke, Terence. Warum sollst du nicht bei der Schlußszene mit Sabrina dabeisein, nachdem du ja auch am Anfang dabei warst. Vielleicht wird sie auf dich hören«, sagte Lucien zynisch. »Ich werde meine besten Pferde satteln lassen, und wir werden morgen in aller Frühe aufbrechen. Zu Pferd sind wir schneller als mit einer Kutsche, und als alter Soldat wird es dir nichts ausmachen, ein paar Nächte unter freiem Himmel oder ein paar Stunden im Sattel zu verbringen.«
Lucien schritt zur Tür, drehte sich aber dann noch einmal um.
»Verzeiht die Störung«, sagte er, nickte kurz und verließ das Zimmer.
Terence starrte nachdenklich auf die geschlossene Tür, dann legte er sich zurück, nahm Mary in die Arme und murmelte: »Da geht ein sehr besorgter Mann.«
Welch’ Geist winkt mir, entlang des Mondlichts Schatten, Lenkt meine Schritte und weist mir jene Lichtung?
Alexander Pope
KAPITEL 15
Sabrina überholte Richard kurz nach der schottischen Grenze.
Sie bogen in einen Gasthof ein, und dort stand die große, schwarze, nagelbeschlagene Kutsche, und ihre etwa sechs oder mehr Passagiere waren gerade im Aussteigen begriffen. Enttäuscht beobachtete sie, wie die Reisenden die Kutsche verlie-
ßen, aber Richard war nicht unter ihnen. Sie wollte sich gerade wieder abwenden, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung auf dem Dach der Kutsche sah und ein roter Schopf unter dem aufgetürmten Gepäck auftauchte. Richard kletterte über die Koffer, und der Wächter, der neben dem Kutscher mitfuhr, half ihm herunter.
Sabrina verließ ihre Kutsche und folgte Richard in den Gasthof. Es dauerte einige Zeit, bis sie den kleinen Jungen unter den vielen Leuten in einer Ecke entdeckte. Er stand sehr verloren herum und starrte das Essen an, das den zahlenden Gästen an einem langen Tisch vor einem prasselnden Feuer serviert wurde.
Richard steckte die Hand in die Hosentasche und zog ein paar Münzen heraus,
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