Geliebte Suenderin
was passiert ist. Etwas hat dich furchtbar erschreckt. Jetzt sag, was war das?«
Marys Augen waren nicht mehr grau, sondern hatten fast die Farbe von Onyx. Ihre Haut hatte einen gräulichen Schimmer, und ihre Knochen zeichneten sich spitz darunter ab, fast wie bei einem gebleichten Totenschädel.
»Ich habe so vor mich hin geträumt. Ich hatte mir solche Sorgen um Sabrina gemacht, daß ich versucht hatte, sie zu verdrängen«, erklärte ihm Mary mit zittriger Stimme.
Terence nickte. »Es gibt nichts, was du für sie tun könntest, Mary. Sie müssen selbst eine Lösung finden, aber sie sind beide so verflucht dickköpfig. Ich möchte nicht, daß du dir den Kopf zerbrichst -«
»Oh, Terence, das ist es nicht«, unterbrach ihn Mary verzweifelt und packte seine Hand erstaunlich fest. »Ich fühle mich dem Tod näher als je zuvor. Als wäre ein kalter Hauch aus dem Grab über meine Wange gestrichen.«
»Mary«, murmelte Terence, »das muß aufhören. Du machst dich ja krank.«
Mary starrte durch ihn hindurch wie eine Fremde. »Ich habe Dudelsackmusik gehört und den Mond über dem Loch aufgehen sehen. Es war so traurig und einsam und still, als wäre die Zeit stillgestanden. Und dann habe ich Leute gesehen, aber die Gesichter waren zuerst undeutlich, bis der Dunst sich auflöste und ich ein Boot treiben sah.«
Marys Augen richteten sich wieder auf ihn, und sie sah Terences beruhigend vertrautes Gesicht flehend an. »Sabrina war in dem Boot, mit Richard neben sich, und ich konnte spüren, daß etwas nicht in Ordnung ist.«
»Aber, Mary«, Terence tätschelte ihre Hand, »du hast selbst zugegeben, daß du dir Sorgen gemacht hast. Es war ein Traum, sonst nichts.«
Mary entriß ihm wütend ihre Hände. »Behandle mich nicht wie ein kleines Kind, Terence. Das war kein Traum. Das war die Vision von etwas Schrecklichem, das passieren wird. Und«, flüsterte sie und schluckte ihre Tränen hinunter, »es wird Sabrina passieren. Oh, Terence, vertraue mir. Ich habe ein ganzes Leben mit diesen Gefühlen gelebt, und ich weiß, wann ich ihnen glauben muß. Ich kann das nicht einfach ignorieren. Bitte glaube mir, das, was ich erzählt habe, ist wahr.«
Terence musterte ihre verkrampften Hände und ihre weitaufgerissenen Augen. »Was soll ich denn tun?« fragte er. »Ich weiß doch nichts außer ein paar vagen Bildern, von denen du mir erzählt hast.«
Mary beugte sich vor, und sie bekam allmählich wieder etwas Farbe im Gesicht durch den Brandy. »Wir müssen nach Camareigh. Wir müssen dafür sorgen, daß Sabrina und Richard nicht nach Schottland fahren.«
»Schottland! Du glaubst, sie würden diese weite Reise machen? Warum denn in aller Welt? Mary, hör mir zu, das ergibt keinen Sinn. Sabrina würde Rhea nie allein lassen und nach Schottland flüchten, und am wenigsten mit Richard im Schlepptau.«
»Du verstehst überhaupt nichts. Wenn du’s nicht schwarz auf weiß siehst, weigerst du dich, es zu glauben«, bezichtigte ihn Mary. Und in diesem Augenblick war sie das erste Mal richtig wütend auf Terence. »Ich weiß und glaube mit jedem Atemzug, daß meine Vision sich bewahrheiten wird, wenn wir nicht ein-schreiten.«
Mary stand auf, und ihr dicker Bauch zeichnete sich deutlich unter ihrem dünnen Nachthemd ab. Sie stellte sich vor Terence und sagte entschlossen: »Ich will diese Tragödie nicht auf meinem Gewissen haben. Ich habe vor, nach Camareigh zu fahren und Sabrina zu warnen - wenn es nicht schon zu spät ist.« Sie drehte sich steif um und wollte sich an Terence vorbeidrängen.
»Mary«, flüsterte Terence, nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich. »Meine Mary, bitte sei niemals böse auf mich. Ich bin ein selbstsüchtiger Narr, weil ich dich sicher bei mir behalten will, und du hast recht, ich habe Schwierigkeiten, etwas zu begreifen, was ich nicht sehen kann.« Er hob ihr Gesicht zu seinem und lächelte. »Wir werden fahren, Mary. Jetzt trockne deine Tränen und laß die Zofen deine Kleider einpacken, und zwar viele warme. Ich werde nicht dulden, daß du dich erkältest.«
Mary strahlte ihn mit vertrauensseligen Augen an, gab ihm einen Kuß und entzog sich schnell seiner Umarmung, als er sie fester an sich drückte.
Sie fuhren durch die Nacht und weiter in den Morgen hinein, und sie hielten nur einmal kurz zum Pferdewechseln und Früh-stücken an. Mary weigerte sich zu essen, war aber dankbar für eine Tasse Tee. Auf ihr Drängen hin fuhren sie bereits nach einigen Minuten weiter. Mary starrte
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