Geliebte Suenderin
Einladung zum Wochenende bereuen. Der letzte Tag zog sich endlos dahin, bis sie endlich am nächsten Morgen abreisen konnten. Sabrina kauerte in einer Ecke der Kutsche und starrte schweigend aus dem Fenster. Die wütenden Blicke des Marquis ignorierte sie einfach. Mary saß neben ihr, nach außen hin wirkte sie ruhig, ruhig bis auf ihre nervösen ineinandergrei-fenden Hände. Innerlich bereitete sie sich darauf vor, Sabrina zu schützen, falls der Marquis sie wegen des enttäuschten Ausgangs beschuldigen sollte. Aber der Marquis schwieg die ganze Reise über und grübelte vor sich hin, nur gelegentlich richtete er einige Worte auf italienisch an die Contessa, die mit sorgenvollem Gesicht die Insassen der Kutsche betrachtete.
Nach ihrer Ankunft in London verließen Sabrina und Mary-fluchtartig die Kutsche und liefen zu ihrem Schlafzimmer, aber der Marquis hatte andere Pläne und folgte ihnen.
»Sabrina! Ich muß mit dir reden.« Er drängte sich in das Schlafzimmer, und seine violetten Augen sprühten vor Wut. Mit geballten Fäusten starrte er in das trotzige, kleine Gesicht, das dem seinen so ähnlich war.
»Ich weiß jetzt, warum der Herzog plötzlich so kühl dir gegenüber wurde. Wie konntest du nur so dumm sein und dich mit Camareigh von ihm erwischen lassen? Du hast alles ruiniert, jede Chance, dich an irgendeinen reichen Verehrer zu verheiraten«, keifte er. »Die Contessa hat den Klatsch von den anderen Besuchern dort gehört. Jeder weiß jetzt, daß du Camareighs Mätresse bist. Hab’ ich dir nicht gesagt, du sollst ihn dir aus dem Kopf schlagen? Verfluchtes Weib! War es die Nacht mit ihm wert? Du hättest eine Herzogin sein können, aber nein, du kannst einer Nacht im Bett mit einem Herzog nicht widerstehen, und das ist alles, was du von Camareigh kriegen wirst!«
Mary fiel die Kinnlade herunter, als sie diese Anschuldigungen hörte. Sie drehte sich zu Sabrina, und ihr blieb das Herz stehen, als sie ihr gequältes Gesicht sah.
Der Marquis atmete schwer, und sein Gesicht war feuerrot vor Wut. »Nun, wirst du es abstreiten? Auf deine Unschuld pochen?
Bei Gott, ich werde dir eine Lektion erteilen, die du schon längst hättest kriegen sollen«, drohte er und sah die Reitpeitsche auf einem Tisch liegen. Er packte sie, hob sie über den Kopf und schlug sie auf Sabrinas ungeschützte Schulter.
Lucien starrte die nervöse Frau mit den ergrauenden brünetten Haaren an, die ihm gegenübersaß. Sie sah ihrer Tochter sehr ähnlich.
»Was versucht Ihr, mir zu sagen, Lady Delande?« fragte Lucien und versuchte, seine wachsende Wut unter Kontrolle zu bringen. »Blanche ist verschwunden?«
Lady Delande benetzte sich nervös die Lippen und versuchte, die richtigen Worte zu finden, um dem Herzog zu sagen, daß sie nicht wußte, wo Blanche war. »Sie ist nie vom Ball der Harriers zurückgekehrt, Euer Gnaden.«
Lucien runzelte nachdenklich die Stirn. »Aber das ist doch mindestens vier Tage her. Warum, in aller Welt, seid Ihr nicht früher zu mir gekommen, gute Frau?« fragte er ungeduldig.
Lady Delande drehte ihr Taschentuch zwischen den Händen, bis Lucien es ihr am liebsten aus der Hand gerissen hätte.
Schließlich hob sie den Kopf mit schamroten Wangen. »Ich habe gedacht, sie ist bei Euch.«
Lucien schüttelte den Kopf. »Ich erhielt an diesem Abend eine Botschaft von ihr, daß sie Migräne hätte und früher gehen wollte.
Als ich diese Nachricht erhielt, hatte sie sich bereits eine Kutsche gemietet, um nach Hause zu fahren. Ich hätte sie selbstverständlich nach Hause gebracht, wenn ich es früher erfahren hätte«, erklärte Lucien und musterte die verzweifelte Frau mit zusammengekniffenen Augen. »Und Ihr sagt, sie wäre nie zu Hause angekommen?«
Lady Delande zerrte an ihren Hutbändern, als würden sie ihr die Kehle zuschnüren.
»Warum habt Ihr Euch nicht früher mit mir in Verbindung gesetzt?« fragte Lucien.
Lady Delande hüstelte und ließ den Blick durch den Raum schweifen, über die in blauem und goldenem Satin bezogenen Stühle mit Fußbank, den Sofatisch aus Mahagoni und den Bü-
cherschrank mit Sekretär. In einem großen Spiegel mit ge-schnitztem, vergoldetem Rahmen sah sie ihr eigenes Gesicht und erschrak.
»Warum?« wiederholte Lucien.
»Als mir klar wurde, daß sie nicht bei Euch ist, nachdem ich Euch am nächsten Tag im Park begegnet bin, wie Ihr Euch vielleicht erinnert, und Ihr Euch nach ihrem Befinden erkundigt habt, na ja, da wußte ich, daß sie gelogen hat und nicht bei
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