Geliebter Barbar
Feindes. Sein Gesichtsausdruck war so beherrscht, daß er wie aus Stein gemeißelt schien. Tatsächlich sah er unglaublich gelangweilt aus.
Maclean dagegen hatte einen hochroten Kopf bekommen und schnappte nach Luft, als er endlich seinen Schwall Beleidigungen losgeworden war. »Aye, Ihr steckt in einer unangenehmen Lage«, murmelte er. »Denn niemand bezeichnet mich als Narren. Niemand! «Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als hätte er einen Entschluß gefaßt. »Ich bringe Euch um, Iain, allein für diese Bemerkung.«
»Nein!« Judith schrie auf und machte einen Satz nach vorne.
Iain griff nach ihrer Hand und zwang sie, stehenzubleiben.
Judith wandte sich um und sah ihn an. »Ich muß mit ihm reden«, flüsterte sie. »Bitte versteh das.«
Iain ließ sie los. Sie nahm die Kette von ihrem Hals und verbarg den Ring in ihrer Faust. Dann tat sie ein paar Schritte nach vorn, um ihrem Vater entgegenzutreten.
In der Halle wurde es still. Jeder wartete darauf, was sie ihm zu sagen hatte.
»Ihr habt Iains Frau gefangen«, begann sie.
Maclean schnaubte. Judith öffnete ihre Faust und ließ den Ring vor ihm auf den Tisch fallen.
Der Clansherr starrte das Schmuckstück eine lange Zeit an, bevor er es schließlich in die Hand nahm. Seine Überraschung war unverkennbar. Dann sah er zu Judith hoch, immer noch ohne zu verstehen.
Judith atmete tief ein. »Aye, Ihr habt Iain gefaßt«, sagte sie. »Aber er hat Eure Tochter geheiratet.«
14. Kapitel
Ihr Vater reagierte, als hätte man ihm ein Messer in die Brust gestoßen. Er schwankte nach vorne, erhob sich halb aus seinem Stuhl und sank dann wieder in die Polster. Er schüttelte den Kopf voller Unglauben. Judith nickte langsam.
»Woher hast du den Ring?«
»Meine Mutter gab ihn mir. Sie hat ihn dir gestohlen!«
»Sag mir, wie deine Mutter heißt«, befahl er mit erstickter Stimme.
Judith zeigte keinerlei Gefühlsregung, als sie ihm antwortete.
Douglas kam herangestürzt und erschien an ihrer Seite. Ihr Vater sah von einem zum anderen und musterte sie nacheinander. Die Ähnlichkeiten waren überdeutlich. Endlich begriff er, daß es möglich sein konnte. »Mein Gott …«
»Vater, wird dir schlecht?«
Der Clansherr gab seinem Sohn keine Antwort. Iain kam heran und stellte sich an Judiths Linke. Sein Arm berührte den ihren.
Sie wußte nicht, ob er sie ansah oder nicht, aber sie wagte es nicht, sich ihm zuzuwenden, denn sie wußte, wie zornig er auf sie sein mußte.
»Was in Gottes Namen ist los mit dir, Vater?« fragte Douglas. »Du machst ein Gesicht, als wäre dir gerade der Teufel begegnet.«
Jetzt wurde ihr klar, daß Douglas von ihrem geflüsterten Geständnis nichts mitbekommen hatte. Da Iain die ganze Zeit schwieg, hatte er vielleicht auch nichts gehört!
Judith war entschlossen, mit ihrem Vater einen Handel abzuschließen. Sie würde über seine erste Frau schweigen, wenn er im Austausch dafür Iain und die anderen freiließ. Wenn er noch einmal heiraten wollte, so sollte er es tun. Sie würde nicht eingreifen …
»Warum wolltest du mich nicht?«
Judith zuckte innerlich zusammen, als ihr diese Frage entfuhr. Was kümmerte es sie, ob er sie gewollt hatte oder nicht? Und, lieber Gott, sie mußte sich wie ein kleines, einsames Kind angehört haben!
»Ich wußte es nicht«, antwortete er. Erregt strich er sich mit den Fingern durchs Haar. »Ich schwor, niemals nach England zurückzukehren, und sie wußte, daß ich mein Wort nicht brechen würde. Nachdem sie gestorben war, habe ich nie mehr einen Gedanken an sie verschwendet. Ich ließ die Vergangenheit ruhen.«
Judith kam näher, bis sie den Tisch berührte. Sie beugte sich noch dichter zu ihm und flüsterte: »Sie ist nicht tot.«
»Lieber Gott …«
»Wenn du wieder heiraten willst, werde ich Vater Laggan nicht sagen, daß du bereits eine Frau hast. Mich kümmert es nicht«, fügte sie mit einem Nicken hinzu.. »Aber du mußt die Mailands gehen lassen.«
Sie wartete nicht auf sein Versprechen, sondern wich sofort wieder zurück.
Maclean war überzeugt, daß er keine weiteren Überraschungen mehr ertragen konnte. Das, was er eben gehört hatte, war noch längst nicht verdaut.
»Vater, was geht hier vor?«
Der Clansherr versuchte sich aus seiner Starre zu lösen und sah dann seinen Sohn an. »Du hast eine Schwester«, sagte er mit heiserer Stimme.
»Tatsächlich?«
»Aye.«
»Wo ist sie?«
»Sie steht neben dir.«
Douglas drehte sich zu Judith um und starrte sie an. Sie gab den Blick
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