Geliebter Barbar
mir haben.«
»Es muß doch noch mehr Ammen hier geben«, sagte Judith. »Von der Anzahl der Häuser und der Menge, die ich gesehen habe, als ich ankam, dachte ich, es würden mindestens fünfhundert Männer und Frauen hier leben.«
»Eher das Doppelte«, schätzte Frances Catherine. »Du hast nicht alle Häuser gesehen, zum Beispiel nicht die auf der anderen Seite des Berges. Nur die Krieger werden gezählt, und beim letzten Stand waren es über sechshundert.«
»Dann muß es viele Hebammen geben«, sagte Judith noch mal.
Frances Catherine schüttelte den Kopf. »Agnes regelt alles«, erklärte sie. »Und weil ich die Schwägerin des Clansherrn bin, wird sie darauf bestehen, das Baby zu holen. Wenn es andere Hebammen gibt, dann verhalten sie sich still, weil sie nicht Agnes’ Wut auf sich ziehen wollen.«
»Aha!«
Plötzlich wurde Judith übel. Panik ergriff sie. Lieber Himmel, sie war nicht gut genug, um diese Aufgabe allein zu lösen. Ja, sie hatte Wissen über die neuesten Geburtsmethoden zusammengesammelt, aber nie bei einer tatsächlichen Geburt dabeisein dürfen. Sie fühlte sich absolut außerstande, Frances Catherines Pflege zu übernehmen.
Judith hatte sich ausgemalt, wie sie neben ihrer Freundin sitzen, ihre Stirn trocknen und gelegentlich beruhigend »na, na« murmeln würde, während die erfahrene Hebamme sich um die wichtigsten Dinge kümmerte.
Über Frances Catherines Gesicht rannen wieder Tränen. Judith seufzte leise. »Eins ist jedenfalls sicher«, verkündete sie. »Du wirst dieses Baby bekommen. Ich bin hier, um dir zu helfen, und wir beide gemeinsam können bestimmt jedes Problem lösen, wie schwierig es auch erscheinen mag.«
Ihr bestimmter Tonfall tröstete Frances Catherine wieder. »Ja«, stimmte sie zu.
»Ist es möglich, Agnes auf unsere Seite zu ziehen, oder geben wir sie auf?«
»Ich will sie nicht«, antwortete Frances Catherine. »Sie wird nichts anders machen wollen! Judith, sie ist so grausam! Bei jeder Gelegenheit macht sie furchtbare Bemerkungen über die Schmerzen, die ich werde ertragen müssen. Und sie erzählt ständig von schwierigen Geburten.«
»Du darfst nicht auf sie hören«, sagte Judith. Sie spürte, daß Zorn in ihr aufstieg. Niemals hatte sie so etwas Widerwärtiges gehört. Judith schüttelte den Kopf, während sie die Situation überdachte. O ja, Agnes war wirklich grausam.
»Ich weiß, was du denkst«, flüsterte ihre Freundin. »Du versuchst, Agnes zu verstehen, nicht wahr? Aber das kümmert mich nicht«, fügte sie hinzu. »Selbst wenn sie sich in einen Engel verwandelte, sie soll mir nicht zu nahe kommen.«
»Nein, ich versuche nicht, sie zu verstehen. Ich weiß bereits, warum sie tut, was sie tut. Sie will Macht, Frances Catherine. Sie nutzt die Angst und die Verletzbarkeit der Frauen aus, um zu bekommen, was sie will. Sie nährt sich von ihrer Schwäche. Maude erzählte mir von Frauen, die so sind wie sie. Und nichts, was ich unternehmen könnte, würde sie ändern. Aber mach dir keine Sorgen. Ich lasse sie nicht in deine Nähe kommen. Versprochen!«
Frances Catherine nickte. »Endlich fühle ich mich nicht mehr so allein«, gestand sie. »Immer wenn ich mit Patrick über die Geburt reden will, kippt seine Stimmung. Er hat Angst um mich, und am Ende muß ich immer ihn trösten.«
»Er liebt dich«, sagte Judith. »Deswegen macht er sich solche Sorgen.«
»Ich verstehe schon gar nicht mehr, warum er mich liebt. Ich bin in letzter Zeit so schwierig. Dauernd fange ich an zu weinen.«
»Daran ist doch nichts Schlimmes! Das vergeht wieder.«
Frances Catherine lächelte. Judith hatte sie immer schon verteidigt, und sie konnte dankbar sein, eine solche Freundin zu haben.
»Nun habe ich lange genug über meine Probleme geredet. Laß uns über deine reden. Willst du versuchen, deinen Vater zu finden, während du hier bist?«
Judith zuckte die Schultern. »Es ist alles komplizierter geworden. Zum einen weiß ich jetzt erst, wie riesig die Highlands sind«, sagte sie. »Und zum zweiten habe ich gehört, daß die Macleans mit den Maitlands in Fehde liegen.«
»Wie hast du das herausbekommen?«
Judith erzählte von dem Gespräch, daß sie mit Isabelles Mutter geführt hatte. Frances Catherine runzelte die Stirn.
»Was sie gesagt hat, stimmt. Die Macleans sind Feinde.«
»Mein Vater könnte längst tot sein.«
»Das ist er nicht.«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe Patrick gefragt, wie der Maclean-Clan so sei. Ich tat natürlich nur mäßig
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