Geliebter Barbar
Catherines Worten sagte Judith, daß sie ihr Unbehagen nicht übertrieb.
»Du vermißt deinen Vater und deine Brüder?«
»Oh, ja«, antwortete sie. »Sie fehlen mir schrecklich.«
»Dann bitte Patrick und hole sie auf einen schönen, langen Besuch her.«
Frances Catherine schüttelte den Kopf. »Ich kann um nichts mehr bitten«, sagte sie leise. »Wir mußten schon den Rat um Erlaubnis fragen, um dich holen zu dürfen.«
Auf Judiths Drängen hin begann Frances Catherine alles über den Rat und seine Macht zu erklären. Sie erzählte Judith, wie Iain eingegriffen hatte, als die Alten die Erlaubnis verweigern wollten, und welche Angst sie während der Anhörung ausgestanden hatte.
»Ich verstehe aber nicht, warum erst der Rat gefragt werden mußte«, bemerkte Judith. »Auch wenn ich in England geboren bin, sehe ich nicht ein, warum er zuerst zustimmen muß.«
»Die meisten Mitglieder der Maitlands haben gute Gründe, die Engländer nicht zu mögen«, erklärte Frances Catherine. »Sie haben Familie und Freunde in Schlachten gegen England verloren, und sie hassen euren König John.«
Judith hob die Schultern. »Tatsächlich können die meisten englischen Barone den König auch nicht leiden.« Sie widerstand dem Bedürfnis, das Zeichen des Kreuzes zu schlagen, damit sie nicht wegen Verleumdung ihres Regenten im Fegefeuer schmoren mußte. »Er ist eigennützig und hat einige schreckliche Fehler begangen. Das meint zumindest Onkel Herbert.«
»Wußtest du, daß der König eine Schottin heiraten sollte, vorher aber seine Meinung geändert hat?«
»Das wußte ich nicht, aber es wundert mich auch nicht. Frances Catherine, was meintest du damit, als du sagtest, du könntest Patrick um nichts mehr bitten? Warum kann er deinen Vater denn nicht holen?«
»Die Maitlands mögen keine Fremden«, erklärte sie. »Sie mögen nicht mal mich!« Der Satz brach aus ihr heraus, wie aus einem Kind. Judith entschuldigte im stillen ihre Gefühlsausbrüche mit dem Zustand der Schwangerschaft. »Ich bin ganz sicher, daß dich hier jeder mag.«
»Ich bilde mir das nicht nur ein«, sagte Frances Catherine heftig. »Die Frauen halten mich für schlecht und eigenwillig.«
»Woher weißt du das?«
»Eine hat es mir gesagt.« Tränen begannen über ihre Wange zu rinnen. Sie wischte sie mit dem Handrücken weg. »Ich habe solche Angst. Und auch um dich. Ich weiß, wie selbstsüchtig es war, dich hierher zu bitten.«
»Ich habe dir vor Jahren mein Wort gegeben«, erinnerte Judith sie. »Ich wäre sehr traurig gewesen, wenn du nicht nach mir geschickt hättest. Also rede nicht solchen Unsinn.«
»Aber das Versprechen, daß ich dir abverlangt habe … das war, bevor ich wußte, daß ich hier landen würde«, stammelte sie. »Die Menschen hier sind so … so kalt. Ich hatte Angst, sie würden dich angreifen.«
Judith lächelte. Typisch Frances Catherine, daß sie sich so sehr um ihr, Judiths, Wohlergehen sorgte. »Frances Catherine, hast du von Anfang an so gedacht, oder haßt du das alles hier, seit du schwanger bist?«
Ihre Freundin mußte einen Augenblick lang nachdenken. »Zuerst war ich glücklich, aber bald wurde mir klar, daß ich nicht hierherpaßte. Ich fühlte mich wie eine Fremde. Ich bin seit über drei Jahren verheiratet, aber sie akzeptieren mich immer noch nicht als eine Maitland.«
»Und warum nicht?«
»Vielleicht, weil ich an der Grenze aufgewachsen bin«, antwortete sie. »Das ist zumindest zum Teil der Grund. Aber Patrick sollte eine andere heiraten. Er hatte nicht um sie angehalten, aber alle nahmen an, daß er es tun würde. Dann lernte er mich kennen.«
»Hast du mit Patrick über deine Gefühle gesprochen?«
»Ich habe es ein paarmal erwähnt«, sagte sie. »Es hat uns schwer zu schaffen gemacht. Mein Mann kann die Frauen nicht ändern. Aber ich will hier nicht sterben. Ich wünschte, Patrick würde mich vor der Geburt zu Vater bringen und bei mir bleiben, bis es vorbei ist.«
»Du wirst nicht sterben!« Judith brüllte fast. »Nach all dem Ärger, den ich durchgemacht habe, wirst du dich, verdammt noch mal, hüten!«
Frances Catherine fühlte sich durch die Wut in der Stimme ihrer Freundin tatsächlich getröstet. »Erzähl mir von dem Ärger, den du durchgemacht hast«, verlangte sie neugierig.
»In den vergangenen zwei Jahren habe ich mit mindestens fünfzig Ammen gesprochen, und ich schwöre, ich habe jedes einzelne Wort von ihnen behalten. Millicent war natürlich begeistert bei der Sache, und ich
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