Geliebter Barbar
provoziert.«
Iain konnte sich nicht entscheiden, ob er diese Frau lieber erdrosseln oder küssen wollte. Dann lächelte er sie an, ein süßes, unschuldiges Lächeln, und er spürte das Bedürfnis zu lachen. Er begriff, er würde ihr niemals ein Haar krümmen, niemals die Hand gegen sie erheben können.
Und sie wußte es auch.
Dennoch: Sie wünschte, sie hätte seine Gedanken lesen können. Warum hatte sie bloß diese Kraftprobe angefangen? Man sollte niemals einen Wolf reizen, und tief im Innern hielt sie Iain – trotz seiner Zärtlichkeit – für gefährlicher als ein wildes Tier. Die Kraft, die er ausstrahlte, überwältigte sie fast.
Sie senkte ihren Blick. »Ich bin sehr dankbar für alles, was du für mich getan hast, Iain, und ich bitte dich, mir zu verzeihen, wenn du glaubst, ich hätte versucht, dich zu reizen.«
Sie dachte, sie hätte zerknirscht geklungen, doch als sie ihren Blick erneut hob, war sie überrascht über sein Lächeln.
»Du hast versucht, mich zu reizen, Judith.«
»Ja, stimmt«, gab sie zu. »Aber es tut mir trotzdem leid.«
In diesem Moment bemerkte sie, daß sie die Tasche umklammerte. Bevor Iain begriff, was sie vorhatte, war sie schon hinausgelaufen.
»Sie wird an jede Tür klopfen, bis ihr jemand sagt, wo Isabelle wohnt«, warnte Frances Catherine. »Patrick, geh bitte hinterher und …«
»Ich gehe schon«, brummte Iain.
Er wartete nicht auf Zustimmung. Sein Seufzen war fast so laut wie das Knallen der Tür, die er fest hinter sich zuzog.
Er holte Judith ein, als sie gerade den Hügel hinablaufen wollte. Er sagte kein Wort, griff aber nach ihrem Arm, um sie aufzuhalten.
»Ich habe Margaret ein Versprechen gegeben, Iain, und ich will es halten.«
Ihr Ausbruch wäre nicht nötig gewesen, denn Iain nickte zustimmend. »Du gehst in die falsche Richtung. Winslows Haus ist auf der anderen Seite der Festung.«
Er nahm ihr die Tasche ab und setzte sich in Richtung des anderen Hügels in Bewegung. Judith ging dicht neben ihm, und ihre Arme rieben sich aneinander. Keiner der beiden rückte ab.
»Iain, jetzt, wo wir alleine sind …«
Sein Lachen stoppte sie mitten im Satz, »Was ist denn daran so lustig?«
»Wir sind nicht allein«, antwortete er. »Ich schätze, daß mindestens zwanzig Clansmitglieder uns beobachten.«
Sie schaute sich um, konnte aber niemanden entdecken.
»Bist du sicher?«
»Ja«, gab er knapp zurück.
»Und warum beobachten sie uns?«
»Neugier!«
»Iain, warum bist du böse auf mich? Ich habe mich doch schon dafür entschuldigt, daß ich dich reizen wollte.« Sie klang wirklich geknickt, und er seufzte. Er würde ihr die Gründe für seine Wut bestimmt nicht erklären. Teufel, ihre Nähe störte, verdammt noch mal, seinen Seelenfrieden. Er wollte sie berühren, doch dies ganz sicher nicht zugeben.
»Ich bin nicht böse auf dich. Du nimmst dich selbst zu wichtig, wenn du annimmst, ich könnte etwas anderes im Sinn haben als die Pflicht meinem Bruder gegenüber, auf dich aufzupassen.«
Er hätte sie ebensogut ohrfeigen können, so verletzt fühlte sie sich. Aber er war wohl im Recht. Sie hatte sich wirklich zuviel Bedeutung beigemessen und geglaubt, er wäre besorgt um sie. Anziehungskraft war eine Sache – Sorge eine ganz andere. Tränen verschleierten ihren Blick, aber das schwindende Tageslicht verbarg gnädig ihren unglücklichen Gesichtsausdruck vor ihm. Sie hielt den Kopf gesenkt und entfernte sich von seiner Seite, bis zwischen sie bequem zwei Pferde gepaßt hätten.
Iain fühlte sich wie ein Schuft. Er verfluchte sich selbst wegen seiner harten Worte, wenn er auch wünschte, sie hätte ein weniger zart besaitetes Herz gehabt.
Gerade wollte er zu einer Entschuldigung anheben, als er die Idee schon wieder verwarf. Krieger entschuldigten sich nicht. Das war Frauensache.
»Judith …«
Sie gab keine Antwort.
Gut, er gab auf. Er hatte sich bei noch niemanden, ob Frau oder Mann, für seine Taten entschuldigen müssen, und bei Gott, er würde jetzt nicht damit anfangen.
»Ich wollte dir nicht weh tun.«
Er konnte nicht fassen, daß er diese Worte gemurmelt hatte.
Kopfschüttelnd stellte er fest, daß sein Verhalten für ihn selbst unerklärlich war.
Judith ließ nicht erkennen, ob sie die Entschuldigung annahm oder nicht. Er war dankbar für diesen Takt, denn gewiß hatte sie aus seiner erstickten Stimme herausgehört, wie schwer sie ihm gefallen war.
Iain war erleichtert, als sie endlich ihr Ziel erreichten. An der Schwelle zögerte
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