Geliebter Barbar
leise und schüchtern. »Frances Catherine ist sicher froh über deine Gesellschaft. Sie braucht neben Patrick jemanden zum Reden«, fügte sie hinzu. »Ich glaube, sie hat es schwer gehabt, ihren Platz hier zu finden.«
»Wie kommst du darauf?« fragte Judith.
»Einige der älteren Frauen halten sie für hochnäsig«, sagte Isabelle.
»Und warum?«
»Sie bleibt für sich«, erklärte die junge Frau. »Ich glaube, sie hat Heimweh.«
»Und du, hast du Heimweh?«
»Manchmal, ja«, gestand Isabelle. »Aber Winslows Tanten waren sehr freundlich zu mir. Willst du mir nicht sagen, was diese Hebamme noch für Methoden hatte? Hält sie den Gebärhaken auch für unersetzlich?«
Isabelle wandte sich um, um die Laken auf dem Bett zu glätten, doch Judith hatte bereits die Angst in ihren Augen entdeckt.
»Woher weißt du denn von diesem Gerät?«
»Agnes hat es mir gezeigt!«
»Lieber Gott«, rutschte es Judith heraus. Sie holte tief Atem, um ihren Zorn niederzukämpfen. Sie war nicht gekommen, um Ärger zu verursachen, und sie wußte, daß es ihr nicht zustand, die Methoden zu kritisieren, die die hiesigen Hebammen anwandten. »Maude hält davon überhaupt nichts«, sagte sie und achtete darauf, daß ihre Stimme ruhig, fast heiter klang. »Sie findet es barbarisch!«
Isabelle zeigte keine Reaktion. Statt dessen stellte sie weitere Fragen. Hin und wieder biß sie sich auf die Unterlippe, und Schweißtropfen bildeten sich über ihren Brauen. Wahrscheinlich machte ihr das Thema angst.
Winslow und Iain waren immer noch nicht wieder hereingekommen. Als Judith das erwähnte, lachte Isabelle auf. »Mein Mann genießt wahrscheinlich die friedvolle Stille draußen. Ich war in letzter Zeit nicht gerade einfach.«
Judith lachte auch. »Das muß ein weitverbreitetes Leiden sein, Isabelle. Frances Catherine hat mir vor einer Stunde genau dasselbe gesagt.«
»Hat sie Angst vor Agnes?«
»Und du?«
»Ja.«
Judith stieß einen Seufzer aus. Bei Gott, auch sie begann langsam, diese Frau zu fürchten. Agnes schien ein wahres Ungeheuer zu sein. Fehlte ihr denn jegliches Mitgefühl?
»Wieviel Zeit hast du, bevor deine Wehen einsetzen werden?«
Isabelle sah Judith nicht an, als sie antwortete. »Ein oder zwei Wochen.«
»Morgen sprechen wir noch einmal darüber. Kannst du zu Frances Catherines Hütte kommen? Vielleicht können wir zu dritt einen Weg finden, wie wir das Problem Agnes lösen. Isabelle, ich habe überhaupt keine Erfahrung. Ich habe noch nicht mal mit eigenen Augen eine Geburt gesehen, aber ich weiß ganz sicher, daß man immer weniger Angst haben muß, je mehr man weiß. Ist es nicht so?«
»Du würdest mir helfen?«
»Natürlich«, antwortete Judith. »Warum gehen wir jetzt nicht ein bißchen nach draußen? Die frische Luft wird dir guttun.«
Isabelle nickte. Judith trat gerade auf die Tür zu, als Winslow sie von außen öffnete. Er wandte sich gleich mit finsterem Blick an seine Frau.
»Warum bist du nicht im Bett?«
»Ich brauche etwas frische Luft«, gab sie zurück. »Hast du den Gebärstuhl schon zu Agnes zurückgebracht?«
Er verneinte kopfschüttelnd. »Ich will es morgen tun.«
»Bitte bring ihn wieder hinein«, bat sie ihn. »Es wird mich beruhigen, ihn hier drin zu haben.«
Sie lächelte Judith an, während sie mit ihrem Mann sprach.
Winslow sah sie verwirrt an. »Aber du wolltest ihn doch auf keinen Fall haben«, erinnerte er sie. »Du hast gesagt …«
»Ich habe meine Meinung geändert«, unterbrach Isabelle ihn. »Und ich weiß auch wieder, was sich gehört. Guten Abend, Clansherr Iain«, rief sie.
Judith war bereits nach draußen gegangen und stand nun neben Iain. Sie würdigte ihn keines Blickes, verbeugte sich leicht vor Winslow und Isabelle und machte sich auf den Weg zu Frances Catherines Haus.
Iain holte sie am Hügelkamm ein. »Winslow und Isabelle möchten dich wissen lassen, wie dankbar sie dir dafür sind, daß du Margarets Geschenk vorbeigebracht hast. Du hast auch aufgeräumt, nicht wahr?«
»Ja.«
»Warum?«
»Das Haus hatte es nötig.« Ihre Worte kamen knapp, kalt.
Iain verschränkte die Hände auf seinem Rücken und spazierte neben ihr her. »Judith, mach es nicht schwerer, als es ohnehin schon ist«, flüsterte er rauh.
Ihr Schritt war so schnell, daß sie fast lief. »Ich habe nicht die Absicht, irgend etwas schwer zu machen«, gab sie zurück. »Ich halte mich von dir fern, und du hältst dich von mir fern. Ich habe diese unbedeutende, lächerliche, aufwallende
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