Geliebter Barbar
Isabelle helfen«, flüsterte Judith. »Iain, fragst du dich denn nicht, warum sie nicht längst Agnes gerufen hat?«
Er nickte. »Doch«, gab er zu.
Judith erzählte ihm nun, was sie über Agnes und ihre Gehilfin gehört hatte und sagte ihm auch, was sie davon hielt. Als sie geendet hatte, zitterte ihre Stimme vor Zorn.
Sie hätte gerne gewußt, was Iain zu Agnes’ Verhalten sagte, aber sie hatten schon den kleinen Hof von Isabelles Haus erreicht, und es war keine Zeit mehr, um ihn zu fragen.
Winslow riß die Tür auf, bevor Iain noch die Hand zum Klopfen erhoben hatte. Durch die Öffnung quoll eine Welle von Hitze, die Judith wie eine offene Flamme ins Gesicht schlug. Winslows Stirn glänzte schweißnaß, und dicke Tropfen fielen von seinen Schläfen herab.
Drinnen war die Luft so unerträglich heiß, daß Judith Mühe hatte zu atmen. Sie trat ein und blieb abrupt stehen. Isabelle saß vornübergebeugt an einer Seite des Bettes und war in mehrere Decken eingehüllt. Judith konnte ihr leises Wimmern bereits an der Tür hören.
In diesem Moment erkannte sie, daß sie nicht einfach fortlaufen konnte. Sie würde bleiben und tun, was immer nötig war, um dieser Frau zu helfen. Ihre Qual zog Judith das Herz zusammen.
Iain legte ihr die Hände auf die Schulter. Erst jetzt bemerkte sie, daß er direkt hinter ihr stand.
»Winslow, Judith glaubt nicht, daß …«
Sie unterbrach ihn. »Ich glaube nicht, daß die Hitze hier drin hilfreich ist«, sagte sie bestimmt. Sie wandte sich um und sah zu Iain hoch. »Mach dir nicht solche Sorgen«, flüsterte sie. »Es wird alles gut.«
Der plötzliche Wandel überraschte ihn. In ihrer Stimme, ihren Augen war kein Anzeichen mehr für Angst zu entdecken. Judith wirkte gelassen … sie übernahm das Kommando!
Langsam durchquerte sie den Raum und blieb vor Isabelle stehen.
»Lieber Gott, Isabelle, hier ist es heiß wie im Fegefeuer«, sagte sie mit erzwungener Heiterkeit.
Isabelle schaute nicht auf. Judith kniete sich vor sie auf den Boden. Vorsichtig befreite sie die Frau aus dem Wust von Decken um Kopf und Schultern. Dann hob sie sanft ihren Kopf, damit sie sie ansehen konnte.
Isabelle Gesicht war tränenüberströmt. Auch ihr Haar war tropfnaß und hing in unordentlichen Strähnen auf ihre Schultern herab. Judith schob es zurück und begann, ihr das Gesicht mit einer Decke abzutupfen. Als sie damit fertig war, nahm sie ihre Hand in die ihre.
Die Angst in Isabelles Augen brachte sie fast zum Weinen. Sie riß sich zusammen, denn sie wußte, daß ihre neue Freundin jetzt all ihre Kraft benötigte, und Judith war entschlossen, sie ihr zu geben. Sie konnte später weinen, wenn sie beide diese erschreckende Erfahrung durchgestanden hatten.
Sie drückte Isabelles Hand. »Hör mir bitte genau zu, was ich dir jetzt sage«, wies sie die junge Frau an. Sie wartete auf Isabelles Nicken und fuhr dann fort: »Wir werden das schon schaffen.«
»Du bleibst bei mir? Du gehst nicht weg?«
»Ich bleibe«, sagte Judith. »Versprochen.«
Isabelle nickte.
»Wie lange hast du schon diese Schmerzen?« fragte Judith.
»Seit heute früh«, antwortete Isabelle. »Ich hab’s nicht einmal Winslow gesagt.«
»Warum hast du gewartet?«
»Ich habe gehofft, es würde vorbeigehen«, sagte sie sehr leise. »Und ich hatte Angst, er würde nicht auf mich hören und Agnes holen. Ich mußte ihn lange überreden, bis er Iain um Erlaubnis bat, dich rufen zu dürfen.«
Wieder rannen ihr die Tränen über das Gesicht. Sie griff nach Judiths Hand. »Vielen Dank, daß du gekommen bist.«
»Und ich freue mich, daß ich hier bin«, gab Judith zurück und hoffte, Gott würde verstehen und ihr verzeihen, daß sie keinesfalls hatte herkommen wollen. Sie spürte immer noch so viel Angst, daß ihr Magen schmerzte. Außerdem zerrte die Hitze im Haus an ihren Kräften.
»Isabelle, es ist normal, daß du ein bißchen ängstlich bist, aber du solltest auch aufgeregt und glücklich sein. Du bringst neues Leben auf diese Welt.«
»Mir wäre es lieber, wenn Winslow es täte.«
Diese Bemerkung verblüffte Judith so sehr, daß sie lachen mußte. Isabelle lächelte ebenfalls.
»Wir sollten uns vorbereiten«, sagte Judith dann. »Fühlst du dich gut bei der Wärme hier drin?«
Isabelle schüttelte den Kopf. Judith stand auf und drehte sich zu den beiden Männern um, die an der Tür standen. Sie mußte lächeln, als sie Iains Gesicht sah. Der arme Mann fühlte sich schrecklich unwohl. Er versuchte, das Haus zu
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