Geliebter Barbar
geplant hatte. Er hatte erwartet, daß alle außer Graham gegen seinen ersten Antrag stimmen würden: Der Streit hätte nicht so lange dauern sollen, und er hatte gehofft, mindestens fünf Minuten mit Judith allein sein zu können, bevor der Priester eintraf. Sicher hätte es nicht länger gedauert, ihr zu sagen, was er von ihr erwartete.
Er haßte das Gefühl, daß ihm alle zusahen. Und schon platzte Brodick seinem ungeduldigen Wesen gemäß heraus: »Judith, du wirst nicht nach England zurückkehren. Nicht jetzt. Nicht irgendwann. Iain wird dich nach Hause bringen.«
Der Krieger hörte sich an, als wäre er glücklich darüber. Sie richtete ihren Blick auf ihn. »Nicht? Wer bringt mich dann nach England?«
»Keiner«, gab Brodick zurück.
Iain ergriff ihre beiden Hände und drückte sie leicht. Dann holte er tief Atem. Auch wenn die Männer ihn beobachteten, wollte er doch den richtigen Tonfall treffen und ihr seine Erklärung unvergessen machen. Es war ein verdammt schwieriges Unterfangen, sich liebevolle Worte einfallen zu lassen, und er hatte wirklich keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet. Aber er wollte es auf keinen Fall verpatzen. Alles sollte perfekt für sie sein.
»Judith«, begann er.
»Ja, Iain?«
»Ich behalte dich.«
10. Kapitel
»Du kannst mich nicht einfach … behalten.«
»Oh, doch, er kann, Frau«, erwiderte Alex fröhlich. »Er ist der Clansherr«, erinnerte Graham sie. »Er kann alles tun, was er möchte.«
»Es ist unwichtig, ob er Clansherr ist oder nicht«, warf Brodick ein. »Franklen hat sich Marrian genommen, und er ist kein Clansführer. Robert nahm Meagan«, fügte er mit einem Schulterzucken hinzu.
»Ich habe Isabelle genommen«, sagte Winslow »So ist es bei uns, Weib«, erklärte Gowrie.
»Du hast Isabelle nicht einfach genommen«, sagte Brodick zu seinem Bruder. »Du hast um sie angehalten. Und das ist ein Unterschied.«
»Ich hätte sie aber genommen, wenn ihr Vater Schwierigkeiten gemacht hätte«, argumentierte Winslow.
Judith konnte nicht glauben, was sie da hörte. Die waren doch wohl alle verrückt! Sie zog ihre Hände aus Iains Griff und wich vor diesen Wahnsinn zurück. Dabei trat sie auf Grahams Fuß. Sie wandte sich um.
»Verzeiht, Graham, ich wollte nicht … Er kann mich doch nicht einfach behalten, nicht wahr?«
Graham nickte. »Gowrie hat recht. So ist das bei uns nun mal«, erklärte er. »Natürlich müßt Ihr zustimmen.« Seine Stimme war voller Sympathie. Iain hatte der hübschen Frau ziemlich zugesetzt. Sie schien etwas überwältigt, aber ganz sicher höchst aufgeregt über seine Ankündigung. Es war die größte Ehre, vom Clansherrn erwählt zu werden. Aye, sie schien so glücklich zu sein, daß sie kein einziges Wort des Dankes zustande brachte. Glaubte Graham jedenfalls.
Doch er glaubte falsch. Innerhalb von ein oder zwei Minuten hatte sich Judith erholt. Dann schüttelte sie den Kopf. Vielleicht hätte sie ihren Zorn hinunterschlucken können, wenn Iains Gefolgsleute nicht sofort alle wieder genickt hätten. Herr im Himmel, am liebsten hätte sie alle nacheinander getreten. Sie atmete tief ein, um ihre Beherrschung wiederzufinden, und sagte dann mit heiserer Stimme: »Iain, können wir einen Moment unter vier Augen reden?«
»Es ist jetzt wirklich keine Zeit für Geplänkel, Weib«, rief Vater Laggan. »Merlin wird sich nicht halten.«
»Merlin?« fragte sie verwirrt.
»Ein Dunbar«, erklärte Graham. Dann setzte er mit einem Lächeln hinzu: »Er braucht einen Priester.«
Judith sah Vater Laggan an. »Dann müßt Ihr zu ihm«, sagte sie. »Stirbt er?« Der Priester schüttelte den Kopf. »Er ist tot, Judith. Ich soll ihn begraben. Die Hitze, versteht Ihr? Er wird sich nicht mehr lange halten.«
»Aye, er wird ihn schon unter die Erde bringen«, warf Brodick ein. »Aber erst verheiratet er Euch. Die Maitlands kommen vor den Dunbars.«
»Merlin hält sich nicht?« wiederholte Judith und preßte sich die Hand auf die Stirn.
»Die Hitze«, erinnerte Brodick sie.
Sie begann plötzlich zu zittern. Iain hatte Mitleid mit ihr. Er hatte tagelang grübeln müssen, bevor er zu dem Entschluß gekommen war, daß er sie unmöglich heimkehren lassen konnte. Nun wurde ihm klar, daß er auch ihr mehr Zeit hätte geben müssen, um über seinen Antrag nachzudenken.
Unglücklicherweise blieb keine Zeit mehr. Nachdem Patricks Bericht seine eigenen Befürchtungen bestätigt hatte, wurde ihm klar, daß er Judith so schnell wie möglich heiraten mußte. Er
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