Geliebter, betrogener Mann
Hochzeitsnacht.
Er stand auf, zog die Jalousie hoch und trat hinaus auf den Balkon. Unter ihm war der Frühstückstisch gedeckt. Gerda hatte Blumen geschnitten und ordnete sie in einer großen Kristallvase. Sie sah keineswegs krank aus, sondern strahlend fröhlich und von einer berauschenden Jugend.
Michael Pohland machte sich nicht bemerkbar. Er sah seiner Frau zu, an die Tür gelehnt, wie ein heimlicher Beobachter, der ein Geheimnis aufzuspüren hat. Erst als Julio wieder ins Zimmer kam und sagte, das Bad sei fertig, löste er sich aus seinem Winkel. Gleichzeitig blickte auch Gerda zum Balkon empor. »Guten Morgen, mein Ehemann!« rief sie lustig und winkte. »Mach schnell – ich habe einen Bärenhunger!«
Michael Pohland winkte zurück und trat ins Zimmer. Gerdas Burschikosität verwirrte ihn. In der Nacht noch war sie ein Bündel zitternder Nerven; jetzt schien sie von sprühender Gesundheit zu sein.
Er zwang sich, nicht weiter darüber nachzudenken, badete und wurde unten in der Wohnhalle mit einem Kuß empfangen. Wie ein verliebtes junges Mädchen hakte sich Gerda bei ihm unter und legte den Kopf an seine Schulter.
»Müssen wir wirklich am Mittag fliegen?« fragte sie und küßte seinen Hals. Pohland nickte. »Ja.«
»In das rauhe, kalte Deutschland.«
»Es wird auch wieder deine Heimat werden, Liebling. Und auf Heidfeld ist es herrlich.« Er blieb stehen und hob ihr Gesicht zu sich empor. »Wie geht es dir denn?«
»Besser, Micha, viel besser. Es war die Aufregung gestern abend … und … und die Erinnerung …« Sie senkte den Kopf. »Hast … hast du nicht auch an früher gedacht?«
»Ich wollte es nicht, Gerda.«
»Aber du hast?«
»Nur einen Gedanken.«
»Ich hatte nicht die Kraft dazu. Ich mußte an alles denken … Du mußt mir verzeihen, Micha.«
Er drückte sie an sich und lächelte begütigend. »Ich will, daß du glücklich wirst«, sagte er leise. »Wir haben beide vieles zu vergessen, und das können wir nur gemeinsam durch unsere Liebe.«
Am Mittag flogen sie von Neapel ab. Julio brachte sie bis zur Flugplatzbarriere und verbeugte sich tief beim Abschied. »Kommen Sie bald wieder, Signora«, sagte er. »Kommen Sie bald wieder, Signore. Und viel Glück. Viel Glück …«
Er stand noch immer an der Barriere, als sich der silberne Riesenvogel donnernd in die Luft hob und starrte ihm nach, wie er nach einer Runde über den Flugplatz in Richtung Rom abdrehte.
Julios Gesicht war nachdenklich und durchaus nicht glücklich. Er machte sich Gedanken über das doppelte Schlafzimmer. Es war für einen Italiener unverständlich.
Vor dem Herrenhaus des Gutes Heidfeld stand die gesamte Belegschaft wie zur Musterung aufgereiht, als der Wagen Pohlands von der Provinzialstraße abbog und über die Privatstraße in den Guts hof einfuhr. Gerda Pohland drückte wie ein ungeduldiges Kind das Gesicht an die Scheibe und lachte.
»Singen sie jetzt gleich oder schreien sie dreimal hoch?« rief sie.
»Sie werden eine Ansprache halten.« Pohland sah, wie der Gutsverwalter Gotthelf Petermann noch einmal schnell auf ein Blatt blickte und es dann in seine Tasche knüllte. Neben ihm stand seine Frau Anna, drall, fröhlich, mit rotblondem Haar, in einer großgeblümten Kittelschürze, die sie sich für diesen Empfang bestimmt heute morgen im Dorf gekauft hatte. Zwei Knechte, zwei Hausmädchen und ein Gärtner standen neben den Petermanns, feierlich in ihrer besten Kleidung.
Noch bevor der Wagen ganz hielt, sprang Pohland schon heraus und winkte mit beiden Armen.
»Kinder! Kein großer Bahnhof. Wir sind hundemüde! Macht es kurz.«
»Gott sei Dank.« Gotthelf Petermann reckte den dicken Bauernschädel vor. Er riß die Tür auf, half Gerda aus dem Wagen und schrie:
»Willkommen auf Heidfeld! Wir alle wünschen Glück und Segen!«
Das war eigentlich der Schluß seiner langen vorbereiteten Rede, aber es war genug, wie er selbst sah. Gerda Pohland drückte ihm fest die Hand.
»Ich danke Ihnen, Herr …«
»Petermann!«
»… Petermann.« Sie wandte sich an die anderen und lachte ihnen zu. »Ihr habt mir eine große Freude gemacht.« Sie ging die Reihe entlang, gab jedem die Hand, nahm vom Gärtner einen großen Rosenstrauß entgegen und kam zuletzt zu Anna Petermann. Unter der neuen Kittelschürze wölbte sich ihr Leib. Gerdas Blick glitt schnell darüber hin.
»Sie … Sie freuen sich auf das Kind?« fragte sie. Ihre Stimme klang merkwürdig gepreßt. Anna Petermann nickte. Ihre runden blauen Augen
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