Geliebter, betrogener Mann
eingelassen.
»Sehen wir uns das andere Zimmer an«, sagte Gerda Pohland. Sie trat hinaus auf den Flur, ging am Schlafzimmer vorbei und öffnete das Kinderzimmer. Es war, wie Petermann gesagt hatte, völlig leer. Ein schöner, sonnendurchfluteter Raum mit einer zartrosa Tapete. Gerda Pohland nickte.
»Das ist gut. Hier stellen Sie bitte mein Bett auf, Petermann.«
Der Verwalter sah sie ungläubig an. Es war offensichtlich, daß er glaubte, sich verhört zu haben.
»Das Zimmer soll eingerichtet werden, gnädige Frau?« fragte er zurück.
»Ja. Als mein Zimmer.« Gerda Pohland drehte sich, das Zimmer noch einmal musternd, um sich selbst. »Kommen Sie, wir suchen die Möbel aus! Es stehen ja genug in den anderen Zimmern herum. Morgen kommen meine eigenen Sachen; es ist nur für heute.«
Eine Stunde später kam Gotthelf Petermann nach Hause. Er wohnte im Verwalterhaus, das im rechten Winkel zum Herrenhaus stand und mit der gegenüberliegenden langen Scheune einen offenen Hof bildete. Seine Frau hatte ihn schon erwartet. Sie hatte die Stunde gut ausgenutzt. Die Kinder waren gewaschen und saßen im Sonntagszeug brav am Tisch, als käme der Nikolaus. In der Wohnung roch es nach frisch aufgebrühtem Kaffee. Petermann atmete tief und setzte sich auf das Sofa.
»Du hast recht, Anna«, sagte er langsam.
Anna steckte den Kopf aus der Küche. »Wieso?«
»Sie zieht ins Kinderzimmer. Ich habe ihr Bett rübertragen müssen.«
Anna Petermann kam aus der Küche. Über der neuen Kittelschürze trug sie jetzt eine Bindeschürze. »Ich habe ein merkwürdiges Gefühl, Gotthelf. Ich hab's nun mal. Als sie mich so ansah, als sie mir über das Haar streichelte … ich habe gefroren.«
»Jaja.« Petermann strich sich wieder über das Gesicht. »Aber dann ist sie wieder so nett, so freundlich …«
»Und was sagt er dazu?«
»Der Chef weiß es noch nicht. Er spricht noch mit Dr. Corbeck.«
Anna Petermann band die Schürze ab. Dabei zitterten ihre Hände und konnten den Knoten kaum aufziehen. »Ich gehe heute abend ins Kino«, sagte sie mit belegter Stimme. »Und du kommst mit … Das geht uns gar nichts an. Verstehst du … gar nichts …«
Am nächsten Morgen kam Dr. Wehrmann hinaus nach Gut Heid feld. Michael Pohland empfing ihn in der Bibliothek. Sein Gesicht war bleich, übernächtigt, kantig. Das Gesicht eines maßlos erregten Mannes, der sich mit letzter Kraft zwingt, in dieser Erregung nicht zu explodieren. Dr. Wehrmann stellte seine Arzttasche auf den Tep pich, nahm seine Brille ab, putzte sie umständlich, fuhr sich mit der Hand durch seine Löwenmähne und drückte dann das Kinn an den Kragen.
Er wußte nicht, was geschehen war. Er hatte nur einen Anruf bekommen, nachts um ein Uhr. »Kommen Sie bitte morgen früh heraus, Doktor!« hatte Pohland mit rauher Stimme gesagt. Dann hatte er aufgelegt. Wehrmann hatte eine Zeitlang darüber nachgegrübelt, was auf Heidfeld geschehen sein könnte. Er kam zu keinem Ergebnis und war nun selbst sehr gespannt.
»Nun?« fragte er, als Pohland beharrlich schwieg. »Um ein freudiges Ereignis festzustellen, ist's noch ein bißchen zu früh.«
»Lassen Sie die dämlichen Witze, Doktor«, sagte Pohland hart. Dann ging er mit großen Schritten in der Bibliothek hin und her, blieb nach drei Runden ruckartig vor Dr. Wehrmann stehen und sah ihn aus flackernden Augen an. »Doktor, sehen Sie mich an. Genau bitte! Bin ich ein Scheusal?«
»Äußerlich kaum.« Dr. Wehrmann legte sinnend den Zeigefinger gegen die Lippen. »Charakterlich ist in jedem Menschen ein Scheusal verborgen. Das ist also eine Frage des Anstandes und der Erziehung.«
»Mit Ihnen zu diskutieren, ist wie gegen einen Sturm ansingen. Sagen Sie frei heraus: Was ist an mir? Stinke ich und rieche es selbst nicht? Habe ich Abnormitäten an mir: Himmel noch mal! Ich weiß nicht, was ich tun soll!« Plötzlich schrie er und schlug mit den Fäusten gegen einen Bücherschrank. »Ich liebe sie doch, und sie liebt mich! Immer, immer sagt sie es.«
Dr. Wehrmann setzte sich schnell. Er nahm seine Brille ab und zwinkerte Pohland zu. »Es klappt nicht?« fragte er.
Pohland blieb ruckartig stehen.
»Sie haben eine Ausdrucksweise, Doktor!«
»Wir wollen doch offen miteinander sprechen. Was ist also? Was ist heute morgen um ein Uhr passiert? Haben Sie versagt? Mit vierzig Jahren sollte man noch nicht so abgewirtschaftet sein, daß man Aufbaumittel braucht.«
»Doktor, Sie bringen mich zur Verzweiflung!« Pohland setzte sich dem Arzt
Weitere Kostenlose Bücher