Geliebter, betrogener Mann
gegenüber und zündete sich mit bebenden Händen eine Zigarette an. »Ich habe eine Frau geheiratet. Eine schöne Frau. Ein Ideal von einer Frau.«
»Ich weiß.«
»Ich habe alles Glück, das ein Mensch haben kann … und ich habe nichts. Gar nichts.« Pohland senkte den Kopf. Er vermied es, Dr. Wehrmann anzusehen. Was er zu sagen hatte, kostete ihn die Überwindung einer natürlichen Schamhaftigkeit, die auch unter den besten Vertrauten herrscht. »Schon auf Capri war es so, und heute war es wieder: Sie verschließt ihr Zimmer vor mir. Sie hat hier ihr Bett ins Nebenzimmer schaffen lassen und sich eingeschlossen.«
»Und was haben Sie getan?« fragte Dr. Wehrmann nach einer Weile Schweigen.
»Ich habe wie vor den Kopf geschlagen vor dieser Tatsache gestanden. Ich habe versucht, von ihr eine Erklärung zu bekommen. Ich habe geklopft. Ich habe mich dazu erniedrigt, sie anzuflehen … mein Gott!« Pohland legte die Hand über die Augen. »Ich liebe sie. Aber ich liebe doch kein Bild, keine bewegliche Puppe. Ich liebe eine Frau mit warmer Haut, mit ausströmender Zärtlichkeit … ich … ich.« Er brach ab und starrte Dr. Wehrmann wie ein kleiner Junge an, der sich in einem Irrgarten verlaufen hat und am Ende seiner Hoffnung ist, jemals wieder herauszufinden.
»Und hat sie eine Erklärung für ihr Verhalten abgegeben?« fragte Dr. Wehrmann.
»Ja. Als ich drohte, die Tür einzuschlagen.«
»Das war grundfalsch, mein Lieber.«
»Können Sie das denn nicht verstehen? Ich heirate eine Frau, die ich anbete, und dann … dann …«
»Und was sagte sie?«
»Ein paar Worte … weinend, flehend … Bitte, laß mir Zeit. Bitte, bitte, laß mir Zeit!«
Dr. Wehrmann sah auf seine Finger. Dann griff er in den Zigarrenkasten, schnitt die Spitze einer Brasil ab und zündete sie an. Nachdenklich verfolgte er die Rauchringe, die er in die Luft blies.
»Was ist, Doktor? Was halten Sie davon?«
»Es kann ein Schock sein.«
»Aber woher denn? Woher?«
»Wissen wir es? Es gibt Frauen, die durch irgendein Erlebnis innerlich völlig verkrampfen, die eine unerhörte Angst haben, eine Panik, die alles andere überdeckt. Das ändert nichts an der Liebe, die Gefühle sind genauso tief wie die der anderen Frauen … aber nur das eine, dieses Letzte, das ist für sie wie ein Todesurteil.«
»Mein Gott. Mein Gott!« Pohland sprang auf und trat an das offene Fenster, als ersticke er und müsse Luft haben. Luft. »Können Sie helfen, Doktor?«
»Ich weiß nicht.« Dr. Wehrmann setzte seine Brille wieder auf. »Wo ist Ihre Gattin jetzt?«
»Noch auf ihrem Zimmer. Ich habe sie seit gestern nacht nicht mehr gesehen. Sie hat sich eingeschlossen. Sie hat auch kein Frühstück zu sich genommen. Ich habe versucht, über die Terrasse zu ihr zu kommen. Sie hat die Türen zu und die Vorhänge vorgezogen.«
»Ich werde zu ihr gehen.« Dr. Wehrmann nahm seine Arzttasche. Pohland kam vom Fenster zurück ins Zimmer. »Nein. Ich gehe allein. Sie bleiben hier.«
»Ich halte diesen inneren Druck nicht mehr aus, Doktor.«
»Dann saufen Sie sich einen an«, sagte Dr. Wehrmann grob. »Als ob es auf der Welt nichts Schlimmeres gäbe als eine ängstliche Frau. Gut, Sie sind ihr Mann, und zu einer vollkommenen Ehe gehört die Vereinigung – aber, mein Bester, was auch immer ist: Jede Frau hat das Recht auf ihren eigenen Körper, und sie hat das Recht, in ihrer Seele nicht nur Lust zu spüren, sondern auch Angst. Hier ist es die Aufgabe des Mannes, ihr diese Angst zu nehmen. Nicht, indem man vor der verschlossenen Tür jammert und fleht oder wie ein Samson die Zimmer aufsprengt, sondern indem man seine Frau verstehen lernt und sie behutsam zum Glück führt.«
»Danke für diese Strafpredigt, Doktor.« Pohland umklammerte die Sessellehne. »Ich sagte Ihnen ja, daß ich mich von heute an als Trottel betrachte.«
»Wo ist das Zimmer Ihrer Gattin?« fragte Dr. Wehrmann.
»Ich bringe Sie hin, Doktor.«
»Aber dann kehren Sie um.«
»Ja.«
»Und werden Sie nicht ungeduldig.«
»Nein.«
»Gehen wir!«
Am Rundbogen, hinter dem der Flur begann, blieb Pohland stehen. Sein Gesicht war noch bleicher und eisiger geworden. »Dort, die vierte Tür rechts«, sagte er. »Ich bin wieder in der Bibliothek.«
»Danke.« Dr. Wehrmann schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, daß ich Sie dort aufsuche. Ich habe das Gefühl, wir sehen uns erst später wieder.«
»Aber … wieso …«
Dr. Wehrmann faßte Pohland an den Schultern.
»Gehen Sie. Und – wie
Weitere Kostenlose Bücher