Geliebter, betrogener Mann
verständnislos und ratlos nach. Er hörte, wie sie den Schlüssel im Schloß drehte. Da ging er in sein Zimmer, entledigte sich seines Cuts, badete und schlüpfte in den Schlafanzug, den Julio malerisch auf dem Bett drapiert hatte.
Immer wieder sah er die Verbindungstür an. Ein paarmal trat er leise heran, legte das Ohr an das Holz und lauschte. Im Nebenzimmer war alles still. Er ging zurück, rauchte nervös eine Zigarette bis zur Hälfte und zerknüllte sie dann zwischen den Fingern.
Gewaltsam unterdrückte er die Erinnerung an seine erste Hochzeitsnacht. Er wollte an nichts mehr erinnert werden, was einmal gewesen war. Mit dem heutigen Tage begann ein neues Leben. Mit schnellen Schritten ging er zur Verbindungstür und wollte sie öffnen.
Sie war verschlossen.
Ein Fehler Julios? Pohland nagte an der Unterlippe. Es war eine dumme Situation, jetzt um Einlaß zu bitten.
»Gerda!« rief er. »Die Tür!« Er schwieg, aber dann verjagte er alle Peinlichkeit, die er empfand. »Bitte, schließ auf, Gerda!«
Im Nebenzimmer war es still. Kein Schritt, kein Rascheln, kein Tappen von Füßen. Nur Stille. Michael Pohland rappelte an der Klinke.
»Gerda!« rief er wieder. »Man hat abgeschlossen. Hörst du mich?« Wieder rüttelte er, heftiger, drängend. Im Nebenzimmer hörte er jetzt einen Laut. Ihre Stimme.
»Bitte, Micha …« Er hörte das Tapsen von nackten Füßen zur Tür und wartete auf das Knirschen des Schlüssels. Aber die Schritte blieben nur an der Tür stehen. Ganz nahe war Gerdas Stimme, klein, kläglich, durch ein paar Millimeter Holz von ihm getrennt.
»Bitte, Micha …«, sagte sie wieder. »Mir ist so schlecht … wie Migräne … mein Kopf platzt fast … bitte verzeih.« Und ganz leise, wie in Tränen erstickt: »Ich liebe dich, Micha … glaub es mir … glaub es mir!«
Hilflos stand Pohland in seinem Zimmer und starrte auf die verschlossene Tür. Nebenan lag Gerda mit dem Gesicht in den Kissen und weinte haltlos, krallte die Finger in das Bett und zerriß das Laken in unerstickbarer Qual.
Langsam ging Pohland zu einem kleinen Tisch, auf den Julio eine Flasche Sekt und zwei Gläser in Eis bereitgestellt hatte. Er goß sich sein Glas voll, dann zögerte er, goß auch das zweite Glas voll und stieß mit ihm an. Bevor er trank, zögerte er, nahm das zweite Glas auch in die Hand und ging noch einmal zurück zur Tür. Mit der Fußspitze klopfte er an.
»Gerda!« sagte er. »Nur ein Glas Sekt. Vielleicht tut es dir gut … Komm, mach auf! Wenn du krank bist, sollst du erst recht bei mir sein … Mach auf, Liebling!«
Er wartete und lauschte. Und es war ihm, als sei jenseits der Tür nichts anderes als ein wildes, unterdrücktes Schluchzen.
Eine ganze Zeit stand er mit den beiden Sektgläsern in den Händen vor der Tür und wartete, unschlüssig, ob er noch einmal rufen oder wieder an der Klinke rütteln sollte. Schließlich ging er zurück zum Tisch, setzte sich und trank beide Gläser leer. Die Kühle des Sektes dämpfte auch seine innere Erregung.
Ein paarmal beugte er den Kopf nach hinten und lauschte. Aber er hörte kein Geräusch. So habe ich mir meine zweite Heirat eigentlich nicht vorgestellt, dachte er sarkastisch. Allein mit einer Flasche Sekt vor einem Einzelbett. Er trat hinaus auf den kleinen Balkon und sah über die Felsenbucht und über das ruhige, tiefschwarze Meer. Morgen gegen Mittag würden sie zurück nach Deutschland fliegen. Nicht nach Ebenhagen, sondern auf das Gut Heidfeld, das Gerda noch nicht kannte. Ein weißes Herrenhaus an einem kleinen, verträumten See, umgeben von Birken, Holunder, Weiden und zerzausten Kiefern. Hier wollten sie drei Wochen unbeschwert glücklich sein, ehe der Alltag sie wieder einspannte. Die Werke, die gesellschaftlichen Pflichten, Einladungen und Gegenpartys, Jagdessen und Reiterfeste. Ein Schwall von Verpflichtungen, die zu Michael Pohland gehörten, zu seiner Stellung innerhalb der Hochfinanz, obgleich er lieber auf seinem Gut gelebt hätte, weit weg von dem lauten Treiben, das als ›standesgemäß‹ galt.
Er legte sich schlafen, nachdem er die ganze Flasche Sekt getrunken hatte. Julio weckte ihn. Die Sonne prallte gegen die heruntergelassenen Jalousien, nebenan rauschte das Badewasser in die Wanne, von der Terrasse klang Radiomusik herauf. Michael Pohland setzte sich im Bett auf und legte die Hände flach gegen die Schläfen. Sein Kopf brummte. Ein Kater, dachte er. Es paßt alles zusammen! Katzenjammer am Morgen nach der
Weitere Kostenlose Bücher