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Geliebter Boss

Geliebter Boss

Titel: Geliebter Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Hanns Roesler
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aufgemacht...«
    »Auf dieses Leben kann ich verzichten!«
    »Dann verzichte, mein Schatz!«
    »Das werde ich auch! Ich kann nicht mit einem Mann leben, der nichts tut, der dem lieben Gott den Tag stiehlt!«
    »Ein Dieb stiehlt, was er findet!«
    »Immer in dieser Unsicherheit leben...«
    »Es steht dir frei, zu gehen!«
    »Sag das nicht zweimal!«
    Zanders wiederholt:
    »Es steht dir frei, zu gehen!«
    Da war Birke aufgesprungen und davongelaufen. Aber dann war sie in der Tür stehengeblieben und ist zurückgekommen. Aber versprochen hatte ihr Zanders trotzdem nichts. Nicht in der Minute, als sie zu ihm zurückkam, und nicht in der Minute, als sie nackt bei ihm einschlief.

    Zanders schwingt sich aus dem Bett.
    Er ist blendender Laune und geht auf Zehenspitzen bis zur Tür des Badezimmers. Noch immer hört er, wie das Wasser der Dusche in die Badewanne strömt.
    »Birke!« sagt er. »Geliebte Birke!«
    Er reißt die Tür mit einem Ruck auf. Er will Birke erschrecken, sie naß in seine Arme schließen und dann mit ihr unter der Brause stehen, zu zweit, eng umschlungen, den Wasserregen über ihren Köpfen.
    Er bleibt in der Tür wie erstarrt stehen.
    Der Platz unter der Dusche ist leer.
    Die Brause verströmt ihr Wasser in die leere Wanne. Warum hat Birke den Hahn der Dusche nicht abgestellt? Er läuft in ihr Zimmer hinüber, dessen Tür halb offen ist. Von Birke keine Spur. Ihr Bett steht unangerührt. Die Schranktüren stehen offen. Ihre Kleider hängen darin, auch die Handtaschen, die er ihr schenkte, die Schuhe, die rote Badejacke, der große weiße Hut...
    Auf dem Schreibtisch, neben einem Strauß roter Rosen, lehnt ein Brief. Zanders weiß nicht, wie er zu dem Schreibtisch hinüberkommt. Er ist wie gelähmt. Die große Schrift des Briefes verschwimmt vor seinen Augen.
    »Geliebter Boß!« liest er. »Ich kann so nicht weiterleben. Wir sind aus zwei Welten. Verzeih, wenn Du kannst. Birke.«
    Und darunter, wie leise hinzugefügt, vielleicht deswegen, weil es mit Bleistift später geschrieben ist:
    »Ich weiß nicht, ob Du es heute nacht gemerkt hast — ich liebe Dich.«
    Im Badezimmer strömt noch immer das Wasser in die leere Wanne.

14

    Am Meer entlang donnert der Riviera-Expreß. In einem Abteil, gleich neben der Tür, sitzt Birke. Über ihrem Platz liegt kein Koffer, nur der rote Sonnenschirm, Peters erstes Geschenk in Wien, den sie in der Aufregung ihrer Flucht mitgenommen hat.
    Birke ist in den ersten Zug eingestiegen, der Nizza verließ, als sie wenige Minuten nach sieben an den Bahnhof kam. Sie wäre in jeden Zug eingestiegen, ganz gleich, wohin. Auch wenn er nach Paris gefahren wäre oder in die entgegengesetzte Richtung, nach Spanien. Nur fort wollte sie, schnell fort, aus dieser Stadt, von Peter, ehe sie ihren Entschluß bereute. Sie bereut ihn längst, während sie hier sitzt und das Dröhnen des Zuges in ihren Ohren klingt. Jeden Kilometer, den der Expreß sie fortträgt, wird ihre Sehnsucht größer. Am liebsten würde sie den Zug anhalten, aussteigen, wieder umkehren, zurückfahren zu ihm. Sie weiß, sie wird den Mann, dem sie zufällig begegnete, nie Wiedersehen.
    Warum ist sie geflohen? Sie kann sich keine Rechenschaft geben. Sie nennt sich hundert Gründe. Aber die sind es nicht allein. Das Leben in den großen Hotels war wie ein Rausch und hat sie verwandelt, sie hat Dinge getan, die sie bei klarem Verstand nie tun würde. Auch die Angst, entdeckt zu werden und daß die Polizei eines Tages in ihr Zimmer tritt, war es nicht allein. Das Leben selbst, während sie jetzt hier sitzt und darüber nachdenkt, erscheint ihr sinnlos. Sie paßt einfach nicht in diese Welt hinein. Sie ist ihre Angst vor den Kellnern und Stubenmädchen nicht losgeworden. Was denken diese Menschen über Leute, für die das Geld keine Rolle spielt? Denen sie das Frühstück auf silbernen Tabletts servieren müssen, während sie daheim aus einer schartigen Tasse ihren Kaffee getrunken haben.
    Genau wie sie selbst noch vor einer Woche — die alte Tasse hätte längst ersetzt werden müssen, der Henkel fehlt schon ein halbes Jahr. Das wird das erste sein, was sie tut, wenn sie heimkommt. Aber sie kann ja jetzt nicht heimfahren, sie ist ja auf Urlaub. In die Bank wird sie auch nicht zurück können. Gott sei Dank hat sie das Geld bei sich, die sechzigtausend Mark, die sie heute nacht heimlich aus seiner Brieftasche genommen hat. Deswegen hat sie sich leise erhoben, als Peter eingeschlafen war, hat das Badewasser angedreht, um

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